Auch Hunde können Allergien entwickeln oder an Unverträglichkeiten leiden. Doch die Diagnostik gestaltet sich deutlich schwieriger als beim Menschen.
Die Symptome sind so vielfältig wie beim Menschen auch: Juckreiz verbunden mit übermäßigem Knabbern, Kratzen oder Lecken, Hautveränderungen durch Schuppen, Quaddeln, Papeln oder Hautrötungen bis hin zu Niesen oder tränenden Augen. Auch Hunde können Allergien entwickeln. „Es können zudem Magen-Darm-Symptome wie Durchfall, Erbrechen oder Übelkeit auftreten“, erklärt Dr. med. vet. Linda Böswald. Sie ist wissenschaftliche Mitarbeiterin am Lehrstuhl für Tierernährung und Diätetik an der Ludwig-Maximilians-Universität in München und neben der Forschungstätigkeit auch in der Ernährungsberatung tätig. Offenbar kann die Veranlagung dazu genauso von den Elterntieren auf ihre Welpen weitergegeben werden wie beim Menschen auch.
Zahlen zu Allergien sind unsicher
Wie viele Hunde heutzutage an allergischen Erkrankungen leiden, ist unklar. Der Deutsche Allergie- und Asthmabund (DAAB) geht davon aus, dass die Häufigkeit bei Haustieren in gleichem Maße zunimmt wie beim Menschen auch. Ganz so pauschal unterschreiben möchte dies Linda Böswald jedoch nicht. „In der Literatur sind die Angaben zur Häufigkeit von Futtermittelallergien bzw. -unverträglichkeiten recht unterschiedlich und reichen bei Hunden und Katzen von ein bis 35 Prozent“, so die Tierärztin und verweist auf die Zahlen, die eine Kollegin im Rahmen einer Doktorarbeit erhoben hat. „Nicola Becker hat Tierhalter in deutschen Tierarztpraxen befragt und kam auf eine Allergie-Prävalenz von etwa 15 Prozent bei Hunden und etwa vier Prozent bei Katzen.“ Höhere Zahlen seien mit Vorsicht zu genießen. Sie stammten häufig aus dem Patientenklientel einer tierärztlichen Fachklinik, die auf Allergien spezialisiert sei, und seien daher nicht uneingeschränkt auf alle Hunde und Katzen in Deutschland übertragbar. Anhand dieser schwammigen Daten lasse sich entsprechend nicht zuverlässig ableiten, ob es heute häufiger zu Allergien und Unverträglichkeiten komme als früher. Auch Häufungen von bestimmten Rassen und dem Auftreten einer Allergie bestätigt sie nicht. Böswald: „Ein solcher Zusammenhang besteht unseres Wissens nach nicht.
Grundsätzlich kann jedes Tier im Laufe seines Lebens betroffen sein, unabhängig von Rasse oder Körpergröße.“
Zum Tierarzt, statt Selbstdiagnose
Trotzdem ist eine Allergie für Hundebesitzer relativ schwierig zu erkennen. „Die Diagnose ist eine Ausschlussdiagnose“, sagt Linda Böswald. Andere Ursachen müssen also zunächst in Erwägung gezogen werden. So kann Juckreiz beispielsweise auch von Parasiten ausgelöst werden, hinter Hautproblemen können hormonelle Störungen oder Infektionen stecken. Wichtig ist deshalb, sich trotz der scheinbar eindeutigen Symptome nicht zu einer Selbstdiagnose verleiten zu lassen, sondern den Tierarzt aufzusuchen und ihn mit möglichst präzisen Angaben bei seiner Detektivarbeit zu unterstützen. In einem ausführlichen Vorgespräch wird er versuchen, den Ursachen auf die Spur zu kommen und mögliche Erkrankungen einzugrenzen. Hundehalter können sich beispielsweise durch Führen eines „Allergietagebuchs“ vorbereiten. Treten die Symptome etwa nur saisonal auf, kann dies ein Anzeichen auf eine Umweltallergie sein. Klettert die Quecksilbersäule im Frühjahr langsam über die Fünf-Grad-Marke hinweg, setzen Hasel und Erle als erste Bäume ihre Pollen frei. Auch Flöhe, Mücken und Zecken kommen bei steigenden Temperaturen hervor. Bleiben die Symptome hingegen ganzjährig bestehen, kann dies für eine Allergie gegen Inhaltsstoffe von Reinigungsmitteln, Hausstaub- oder Futtermilben sprechen.
Auch eine Futtermittelallergie rückt dann ins Zentrum der Aufmerksamkeit. Hunde reagieren dem DAAB zufolge besonders häufig auf Milch, Rind, Huhn, Eier, Weizen, Mais, Soja und deren Spaltprodukte. Das Vorgespräch sollte deshalb sehr ausführlich sein. Ergänzend wird der Tierarzt einige Tests durchführen. Mit Hilfe von sogenannten Abklatschzytologien wird er beispielsweise prüfen, ob auf der Haut des Hundes Infektionen mit Bakterien oder Hefepilzen vorliegen.
Nicht jede Überempfindlichkeit ist eine Allergie
Außerdem gilt es, eine Allergie eindeutig von einer Nahrungsmittelunverträglichkeit abzugrenzen. Im allgemeinen Sprachgebrauch werden beide Begriffe oft synonym verwendet. Tatsächlich sind die zugrundliegenden Mechanismen jedoch völlig verschieden, auch wenn sie anhand der Symptome in der Regel nicht eindeutig zu unterscheiden sind:
Obwohl im Sprachgebrauch beide Begriffe oft synonym verwendet werden, sind die zugrunde liegenden Mechanismen völlig verschieden.
Bei einer > Unverträglichkeit ist der Körper nicht fähig, bestimmte Futtermittelbestandteile zu verdauen. Das kann angeboren sein. Hunde und Katzen sind beispielsweise von Natur aus laktoseintolerant, da nach dem Welpenalter das Milchzucker-spaltende Enzym fehlt. Daneben können auch Stoffwechselerkrankungen oder die Wirkung von pharmakologischen Stoffen, wie Histamin oder Zusatzstoffe, Unverträglichkeiten auslösen. In diesem Fall reagiert der Körper unverzüglich nach dem ersten Kontakt mit dem Auslöser.
> Allergien werden durch das Immunsystem hervorgerufen, das fälschlicherweise auf körperfremde - aber eigentlich harmlose – Substanzen reagiert: von Pollen über Tierhaare und Hausstaub bis hin zu Lebensmittelbestandteilen. Diese sogenannten Allergene kommen auf verschiedenen Wegen mit dem Körper in Kontakt. Sie können beispielsweise eingeatmet werden, mit der Haut reagieren oder über den Magen-Darm-Trakt ins Innere gelangen. Zwischen dem Erstkontakt mit einem solchen Allergen und einer allergischen Reaktion können Jahre liegen. In dieser Zeit hat der Körper Antikörper gebildet, die beim nächsten Kontakt mit dem Allergen zur entsprechenden Reaktion führen und bei einer Blutabnahme nachweisbar sind. Allergien sind daher erworben, treten dementsprechend meist nicht im Welpenalter auf und sind vergleichsweise eher selten.
Mit einer strengen Diät die Krankmacher suchen
Ist die Anamnese abgeschlossen und alle anderen Ursachen und Erkrankungen zuverlässig ausgeschlossen, wird das Futter unter die Lupe genommen. Dazu muss aus unzähligen Zutaten die kritische identifiziert werden – eine Suche nach der Nadel im Heuhaufen. Ein Ansatz ist, dem Hund ein Futter mit hydrolysiertem Protein zu geben. Darin sind die Proteinmoleküle so stark zerkleinert, dass das Immunsystem des Tieres sie nicht mehr als Allergen erkennt. Allerdings enthalten diese Produkte oftmals noch unhydrolisierte Zutaten. Außerdem spielt bei kommerziellem Futter immer auch Herstellungsweise, Futtermittelzusatzstoffe oder Kontamination eine gewisse Rolle, sodass es nicht für alle Tiere die passende Lösung ist.
„Der Goldstandard zur Diagnostik ist daher eine Eliminationsdiät beim ausgewachsenen Hund“,
erklärt Linda Böswald. Darunter verstehen Tierärzte eine zeitlich beschränkte Ernährungsform, bei der die verdächtigen Lebensmittelbestandteile Schritt für Schritt herausgefiltert werden. Eine solche Eliminationsdiät – auch Ausschlussdiät genannt - folgt in ihrem Ablauf praktisch der beim Menschen. In der ersten Phase erhält das Tier über einen Zeitraum von sechs bis acht Wochen ausschließlich Futter, auf das es nicht allergisch reagieren kann – weil sein Immunsystem nämlich noch nie zuvor damit in Kontakt gekommen ist. Üblicherweise trifft dies auf Fleischsorten wie Pferd, Strauß oder Rentier zu, die daher als Proteinquelle herangezogen werden. Als Kohlenhydratquelle eignen sich meist Reis, Kartoffeln oder Hirse. „Nur so kann ausgeschlossen werden, dass bereits eine Allergie gegen diese Komponenten besteht. Um zusätzlich auf Nummer sicher zu gehen, sollten Einzelfuttermittel gewählt werden. Möglich sind Reinfleischdosen ohne Mineralisierung.“ Auch Leckerlis und Snacks sind in dieser Phase tabu.
Wichtig zu wissen:
Diese Ernährung ist nicht bedarfsdeckend. In Absprache mit einem spezialisierten Tierarzt muss daher in einem zweiten Schritt eine Supplementierung von Vitaminen und Mineralstoffen vorgenommen werden.
Erneute Provokation zur Sicherheit
Wenn die Symptome während dieser Zeit verschwinden, ist ein Zusammenhang der Symptome mit der vorherigen Fütterung wahrscheinlich. Zur Sicherheit wird nun eine erneute Provokation mit dem herkömmlichen Futter angestrebt. „Wenn dann die Symptome wiederkehren und bei einer Umstellung auf die Eliminationsdiät erneut verschwinden, ist eine Futtermittelunverträglichkeit so sicher, wie es aktuell möglich ist“, sagt Linda Böswald. Blut- oder Hauttests hält sie aktuell für nicht aussagekräftig zur Diagnose einer Futtermittelallergie. Beide Testverfahren können falsch positive Ergebnisse liefern. Das bedeutet, dass der Test ein positives Ergebnis anzeigt, obwohl der Hund völlig gesund ist.
Konsequenz entscheidet über den Therapieerfolg
An die Diagnose schließt sich unmittelbar die Therapie an. Bei einer Futtermittelallergie müssen die nicht vertragenen Bestandteile von nun an lebenslang strikt gemieden werden. Anders als beim Menschen jedoch wird beim Hund die Ernährung nicht schrittweise zu einer breiten Variation aufgebaut.
„Wenn das Tier während der Eliminationsdiät symptomfrei ist, kann diese in der Regel beibehalten werden."
Unerlässlich ist es allerdings, in einem nächsten Schritt ein passendes Mineralvitaminpräparat zu ergänzen“, empfiehlt Linda Böswald. Die Supplementierung mit Vitaminen und Mineralstoffen ist essentiell, um Mangelerscheinungen langfristig auszuschließen. Linda Böswald rät Hundehaltern, sich dazu von einem spezialisierten Tierarzt beraten zu lassen. „Am besten geeignet ist ein Fachtierarzt für Tierernährung und Diätetik oder ein Tierarzt, der die Zusatzbezeichnung Ernährungsberatung trägt“, weiß sie. Er wird gegebenenfalls ein pflanzliches Öl empfehlen, das reich an essentiellen Fettsäuren ist. „Dies kann zusätzlich die Hautbarrierefunktion unterstützen.“
Wenn zusätzlich Medikamente nötig sind
In manchen Fällen ist zusätzlich eine medikamentöse Einstellung erforderlich, um hartnäckige Symptome zu lindern und Folgeinfektionen zu vermeiden. „Dies kommt häufig vor, wenn neben einer Futtermittelallergie noch eine Reaktion auf andere Umweltfaktoren besteht“, erklärt Böswald. Das muss individuell mit dem behandelnden Tierarzt abgeklärt werden. Hypoallergene und bakterizide Shampoos, Cremes und Spot On-Präparate mit den Wirkstoffen Phytosphingosin, Linolensäure und Glycerin können zusätzlich die Hautbarriere stärken und den Juckreiz mildern. Gelegentlich müssen Antibiotika und Antimykotika beim Auftreten von Entzündungen eingesetzt werden. In schweren Fällen können auch beispielsweise Kortison und Ciclosporin notwendig sein, um die allergischen Symptome zu kontrollieren.