Das Ausdrucksverhalten des Hundes besteht zu einem weitaus wichtigeren Teil als beim Menschen aus der Körpersprache. Wir haben stattdessen eine hochentwickelte gesprochene Sprache. Aber auch die Laute des Hundes spielen eine signifikante Rolle und können je nach Situationszusammenhang und dem körperlichen Ausdruck zum Zeitpunkt der Lautäußerung eine Fülle an Bedeutungen transportieren – und auch noch rassespezifisch unterschiedlich sein.
Lautrepertoire
Hunde verfügen über eine breite Palette an Lauten. Neben dem Bellen ist das vor allem Knurren, Winseln, Jaulen und Heulen. Wie im Infokasten deutlich wird, können die unterschiedlichen Laute meist in sowohl positiven als auch negativen Situationen vorkommen und unterscheiden sich dabei in Lautstärke, Tonalität und Tonhöhe. Zur letztlich zuverlässig korrekten Deutung des Lauts müssen zwei Dinge immer mit beachtet werden: die Situation, in die der Laut eingebettet ist, sowie die Körpersprache des Hundes.
Beispielsweise können das Spielaufforderungsbellen eines jüngeren Hundes und das Rüdenabwehrbellen einer gestandenen Hündin recht ähnlich klingen – hoch, klar, mittlerer Zeitabstand zwischen den einzelnen Belllauten –, doch sowohl die Körpersprache der beiden Hunde als auch der Kontext, in dem ihr Handeln stattfindet, unterscheiden sich grundlegend voneinander, und natürlich auch der Handlungszweck. Gleiches gilt für das Heulen, mit dem sowohl ein in der Wohnung allein gelassener Hund mit Trennungsangst nach seinem Menschen ruft wie auch ein liebestoller Rüde nach der gerade läufigen Nachbarshündin, was nach außen hin praktisch gleich klingen kann.
Welpen haben ein sehr anderes Lautrepertoire als erwachsene Hunde. Es ist leicht nachvollziehbar, dass die blinden, wehr- und hilflosen Kleinen gerade in den ersten Wochen unmissverständliche Kontakt- und Soziallaute zur Kommunikation benötigen, mit denen sie der Mutter signalisieren, wenn es ihnen gut geht und ob sie zum Beispiel Schmerzen haben, hungrig oder allein sind. Viele der Welpenlaute verlieren sich nach wenigen Wochen, einige entwickeln sich zu Erwachsenenlauten weiter, andere Laute der Erwachsenen kommen nach und nach hinzu. Die spezifischen Welpenlaute spielen für Sport und Dienst keine Rolle und werden hier nicht näher beleuchtet.
Von Wölfen und Hunden
Das Lautrepertoire wurzelt ursprünglich in dem des Wolfes, hat im Laufe der Domestikation jedoch einige Veränderungen und Verschiebungen durchlaufen. Beim wilden Vorfahr unseres Haushundes spielt das Bellen eine nur marginale Rolle und kommt zum Beispiel als leises, tiefes „Wuff“ vor, mit dem davor gewarnt wird, dass sich jemand Fremdes dem Rudel nähert. Zudem bellen Wolfswelpen noch häufiger als erwachsene Tiere. Im Gegensatz zum Haushund spielt dagegen beim Wolf das Heulen die gewichtigere Rolle, mit dem zum Beispiel regelmäßig die Rudelzugehörigkeit gefestigt und auch das eigene Territorium gegenüber fremden Wölfen abgegrenzt wird.
Beim Haushund hat sich die Gewichtung der Lautkategorien verschoben: Zwar heult er ebenfalls, wenn auch – bestimmte Rassen ausgenommen – weit weniger, dafür ist das Bellen auch noch beim erwachsenen Hund eine häufige Ausdrucksform. Insgesamt sind Haushunde durch das Bellen tendenziell verbal aktiver als ihre wilden Ahnen. Denkbar wäre unter anderem, dass der Hund nicht darauf achten muss, durch zu viele Lautäußerungen potenzielle Beutetiere vor seiner Anwesenheit zu warnen, da der Mensch ihn mit Futter versorgt – im Gegenteil reagiert der menschliche Futterspender ja sogar mit Aufmerksamkeit und Zuwendung auf Lautäußerungen des Hundes.
Rasseunterschiede
Nicht nur im Vergleich zum Wolf, auch unter den verschiedenen Hunderassen gibt es teils erhebliche Unterschiede im Lautverhalten. Unterschiede können zwar auch körperliche Ursachen haben: Es wird beispielsweise vermutet, dass der Urhund eine nur schwach ausgeprägte Bellfähigkeit hatte – das Bellen erfordert einen großen Kehlkopf, während der des Urhundes eher flach war, wie fossile Funde zeigen. Extrem kurznasige Hunde wiederum zeigen ein starkes Lautverhalten in Form von Schnarchen oder Schnorcheln. Diese Geräusche stellen keine absichtlichen Lautäußerungen zur gezielten Kommunikation dar, sondern sind eine harmlose unter den vielen negativen Folgen der Brachycephalie.
Die anatomischen Abweichungen zwischen den heutigen Hunderassen sorgen ansonsten meist für ein schlicht unterschiedlich klingendes Bellen, Knurren oder Heulen, weitergehende Unterschiede sind individueller Natur. Dabei ist es ein bisschen so, als würden die Hunde die gleiche Sprache sprechen, aber in unterschiedlichen Dialekten – was, wie zwischen Süd- und Norddeutschen, durchaus zu Missverständnissen führen kann.
Terrierhalter können beispielsweise ein Lied davon singen, dass Vertreter anderer Hunderassen (und auch deren Halter) das bei der überwiegenden Zahl der Terrier übermäßig stark ausgeprägte Spielknurren falsch verstehen. So mancher Nicht-Terrier zieht sich abrupt verunsichert zurück oder geht sogar vorsorglich auf Abwehr. Beobachtet man zwei Terrier, wie sie mit weit aufgerissenen Mäulern – in denen auch noch vergleichsweise große Gebisse aufblitzen – und lautstarkem Knurren energisch miteinander toben (Motivation: Spiel), kann man als Nicht-Eingeweihter durchaus auf die Idee kommen, dass die zwei verbittert kämpfen und sich gleich, jetzt gleich zerfleischen werden. Natürlich kann auch ein solches Spiel einmal in Ernst umschlagen, das ist aber vorwiegend an der Körpersprache zu erkennen und weniger am Ton.
Die Hunde der nordischen Rassen sind ein anderer besonderer Fall. Das Bellen ist bei ihnen oft weniger stark ausgeprägt. Gerade vor dem Start eines Schlittenhunderennens lässt sich gut beobachten, wie ihr ungeduldiges, hohes Bellen (Motivation: Aufregung) einen deutlichen Jaulcharakter haben kann. Rudel nordischer Hunde pflegen auch oft das Heulen (Motivation: Rudelzusammenhalt) erheblich stärker als andere Haushundrassen, bei denen das Heulen individuell teils überhaupt nicht vorkommt.
Ein in der Kommunikation gleichsam besonderes Beispiel sind die Jagdhunde. Sie verfügen über ein großes und differenziertes Jagdlautrepertoire, das sich vorwiegend im Bereich des Bellens bewegt. Jeder, dessen Hund schon einmal im Wald stiften gegangen und unerlaubt Wild hinterher ist, wird sich an sein hohes Bellen während des Hetzens (Motivation: Aufregung) erinnern – den Sichtlaut. Dieses spezielle Lautverhalten ist für die Jagdhundearbeit zwar wenig geeignet, doch auch ein stummer Jagdhund ist für fast alle Einsatzzwecke – das Apportieren ausgenommen – reichlich unbrauchbar. Jagdhunde haben ein je nach Einsatzgebiet rassetypisches und verwendungsspezifisches Bellverhalten, das in der Ausbildung trainiert wird (Motivationen, je nach Situation: Aufmerksamkeit, Warnung, Verteidigung). Ohne die bereits genetisch verankerte einschlägige Anlage kommt ein Jagdhund jedoch nicht aus: Entsprechend wird bei jeder jagdlichen Anlagenprüfung auch der Anlagenwert „Laut“ festgestellt, der in die Bewertung einfließt und sogar in der Ahnentafel eingetragen wird.
Arbeit, Sport und Dienst
Vor allem die Bellfreudigkeit des Haushundes machen wir Menschen uns auch bei vielen der anderen Einsatzformen zunutze. Die gezielte Lautäußerung des Hundes stellt im Schutzdienst (beim Stellen) sowie bei Rettungs- und Spürhunden (beim Auffinden von beispielsweise Verschütteten oder Leichen) einen wichtigen Ausbildungsbestandteil dar – ebenso allerdings auch oft die Arbeit am Nicht-Bellen.
Im Schutzdienst ist die Motivationslage des Hundes tendenziell als erregt einzustufen, sodass sich das Verbellen beim Stellen des Helfers leicht ergibt (individuell mögliche Motivationen: Aufregung, Spielaufforderung, Warnung). Als schwieriger kann sich vielmehr erweisen, einen hoch motivierten Hund vor dem Beginn des Revierens still zu halten – bei nicht wenigen Hunden bricht sich eine Kombination aus freudiger Erwartung und dem Warten-Müssen in Bellen Bahn (individuell mögliche Motivationen: Aufregung, Frustration). Gerade im IPO-Sport bzw. beim Obedience kosten jedoch das Bellen an unverlangter Stelle bzw. das generelle Bellen und Winseln teure Punkte in der Richterwertung.
Ähnliche Probleme kennen auch viele Hundehalter, die keinen Hundesport betreiben oder eine Sportart, bei der es gleichgültig ist, ob der Hund vor Aufregung bellt oder nicht. Da sich die Erregungslage kaum ändern lässt – eine hohe Motivation ist zumindest im Sport und bei der Arbeit schließlich auch wünschenswert –, hat es sich in vielen Fällen als gangbarer Weg erwiesen, auch solchen Hunden zunächst das Bellen auf Kommando beizubringen, sodass das Nicht-Bellen als eine logische Konsequenz und damit quasi als Nebeneffekt überhaupt gelernt werden kann.
Was Bello also bellt …
… lässt sich, wie eingangs bereits angesprochen, immer nur im Kontext und unter Berücksichtigung primär der Körpersprache und auch der Rasseeigenheiten verstehen. Die typischen möglichen Motivationen hinter den verschiedenen Lauten des Hundes zu kennen, hilft sowohl bei der Einordnung einer Lautäußerung als auch bei der angemessenen eigenen Reaktion darauf. So gut Hunde darin sind, uns zu beobachten und daraus Rückschlüsse über uns zu ziehen, so gut müssen auch wir sie beobachten, um sie ganz zu verstehen: Verleiht bei uns Menschen primär der Inhalt der Worte den Lauten einen Sinn, so kommt bei den Hunden diese Rolle in weiten Teilen der Körpersprache zu; was bei uns die Betonung ist, die zum Beispiel aus ernsten Worten Spaß macht, ist beim Hund der Situationskontext; und die menschlichen Dialekte könnte man mit den unterschiedlichen Rassedispositionen vergleichen. Und zum Glück ist dazu auch noch kein Hund wie der andere.