Was sagt man dem Airedale nicht alles nach: Er sei stur (weil Terrier). Er sei schwer erziehbar (auch weil Terrier). Er könne alles und nichts (weil Allrounder). Und er sehe aus wie Alf (okay, da ist was dran). In diesem Porträt fühlen wir der größten aller Terrierrassen genauer auf den recht groß gewachsenen Zahn, schauen auf die Klischees – aber vor allem dahinter.
Waren Airedales in den 1970er Jahren recht weit verbreitet, gehören sie heute nicht mehr zum Alltagsbild. Dennoch werden Airedale-Halter immer wieder von Wildfremden angesprochen: „Ein Airedale! So einen hatten wir früher auch. Der beste Hund!“ Und auch, dass ein Auto mit quietschenden Reifen anhält, der Fahrer herausspringt und den angeleinten Airedale durchzuwuscheln beginnt, wird sie nicht weiter wundern.
Haben sich ein Mensch und der Airedale gefunden, bleibt die enge Verbindung zu dieser Rasse meist lebenslang bestehen.
Viele freuen sich im Alter an einem kleineren, weniger lebhaften Hund – und denken gleichzeitig wehmütig an ihre Airedales zurück. Dass dies so ist, liegt wesentlich darin begründet, dass dieser ausgeglichene Hund nicht nur vielseitig einsetzbar und enorm anpassungsfähig ist, er hat zudem ein ausgesprochen freundliches, fröhliches und furchtloses Wesen.
Wie ist das Wesen des Airedales?
Der Rassestandard stellt den Airedale Terrier als offen, vertrauensvoll, freundlich und intelligent sowie entschlossen, wachsam, nicht aggressiv und mutig dar. In der Praxis fügen sich diese Eigenschaften zu einer gewinnenden Mischung, gewürzt mit großer Lebhaftigkeit und noch mehr Humor.
Im Alltag ist der Airedale vor allem eines: gut gelaunt.
Das geht so weit, dass sein gerade in den ersten Lebensjahren überschäumendes Temperament sich nur schwer zügeln lässt, wenn der Airedale Familie und Besucher begrüßt oder spielt. Dabei ist er allgemein ein hervorragender Familienhund und bindet sich eng an seine Menschen. Er gilt als ausgesprochen kinderfreundlich: passt zuverlässig auf die Allerkleinsten auf, lässt sich von Kleinkindern geduldig das Spielzeug wegnehmen, zeigt älteren Kindern aber unmissverständlich, dass sich absichtliches Ziehen am Fell nicht gehört. Hat er genug, zieht er sich zurück. Im gleichen Maß kann er auf der anderen Seite seine Menschen und sein Revier konsequent und entschlossen verteidigen, ohne dabei ein Kläffer zu sein. Angst kennt der eher mutige Airedale übrigens wenig, und wenn, dann geht er meist offensiv nach vorn statt passiv in Deckung.
Trotz dieser Unerschrockenheit neigt er nicht dazu, Kämpfe mit anderen Hunden vom Zaun zu brechen, steckt bei Angriffen aber auch nicht zurück. Die Verträglichkeit ist bei einem gut sozialisierten Airedale kein Thema, und er lässt sich zudem unproblematisch im Rudel halten. Bei frühzeitigem Kontakt kann man ihn auch gut an andere Tiere gewöhnen, Katzen eingeschlossen. Verpasst man diese Gewöhnung, kann der Kontakt mit Kleinzeug allerdings schnell dynamisch werden.
Wenn er ausgelastet ist, dann passt sich der Airedale sehr flexibel an die Umstände an. Wo Action ist, steckt er mittendrin; ist nichts los, hält er Siesta und stellt dabei bevorzugt die Welt auf den Kopf: Airedales sind bekannt dafür, stundenlang in stabiler Rückenlage zu schlafen.
Ein nicht ausgelasteter, vor allem geistig nicht geforderter Airedale dagegen kann zum Zerstörer werden, der nicht davor zurückschreckt, geschlossene Schränke zu öffnen und auszuräumen oder die Tapete von den Wänden zu fressen. Sein Erfindungsreichtum scheint grenzenlos.
Im Gesamtbild zeigt sich der Airedale als grundehrlicher Charakter, dessen viele guten Eigenschaften sich ins Gegenteil verkehren können, sollten sie falsch verstanden oder unzureichend berücksichtigt werden. Das betrifft vor allem eine fehlende Auslastung oder die falsche Ausbildung.
Dabei bietet sich der Airedale durch seine Vielseitigkeit und seine Neugier leicht für unterschiedlichste Beschäftigungen an.
Wie vielseitig ist er nun wirklich?
Man kann den Eindruck bekommen, dass es kaum etwas zu geben scheint, wofür sich der Airedale nicht begeistern lassen würde oder was er nicht lernen könnte. Die Vielseitigkeit war der Rasse von Anfang an in die Wiege gelegt, waren an seiner Entstehung doch unterschiedliche Terrier und Bullterrier ebenso beteiligt wie vermutlich Setter und Otterhound.
Ursprünglich war der Airedale als intelligenter Allrounder geschätzt, der als Jagdhund in allen Bereichen außer zum Vorstehen eingesetzt wurde, er war Wach- und Schutzhund oder glänzte als Damenbegleiter. Ab der Jahrhundertwende diente er außerdem als nervenstarker Sanitäts- und Meldehund in Kriegen, bei denen neben Mut auch Selbstständigkeit gebraucht wurde, und war später bei Grenzschutz und Polizei gefragt. Bis zum Zweiten Weltkrieg war er der beliebteste Diensthund, erst dann wurde nach und nach anderen und im Ankauf günstigeren Gebrauchshunderassen der Vorzug gegeben. Dennoch gibt es auch heute noch Airedales im Polizeidienst, nach Schätzungen des KfT derzeit bundesweit 10-15.
Ebenfalls keine genauen Zahlen finden sich zu den hierzulande von Jägern eingesetzten Airedales. Obwohl der Airedale gerade im englischsprachigen Ausland auch weiter als Jagdhund dient, listet der Deutsche Jagdverband ihn dagegen nicht als anerkannte Jagdhunderasse – da er auch im Schutzdienst geführt wird. Die Prüfungszulassung ist vom Prüfer abhängig und die Handhabung in den Bundesländern unterschiedlich.
Darüber hinaus findet man Airedales in der Nasenarbeit, beispielsweise als Trümmer- und Rettungshund oder als Mantrailer, andere sind als Reitbegleit- oder Alpinhund unterwegs oder als Assistenzhund ausgebildet. Bei Turnierhundesport und Agility mischt der ein oder andere Airedale ebenfalls mit, auch wenn seine Stärke eher in der Ausdauer liegt, er nicht so leicht und wendig ist wie andere Rassen und er nicht die Endschnelligkeit hat wie beispielsweise ein Border Collie. Viele sind jedoch reine Familienhunde und kommen trotz ihres Potenzials für so viel mehr auch damit sehr gut zurecht, sofern sich ihre Menschen aktiv mit ihnen beschäftigen.
Insgesamt sieht man die meisten Airedales heute außerhalb von Dienst, Jagd oder Sport. In den einzelnen Sparten sind jeweils andere Hunderassen allgemein beliebter, was zwei Hauptgründe haben dürfte.
Der aufgrund seiner jagdlichen Herkunft selbstständig entscheidende und handelnde Airedale hat einen entsprechend schwach ausgeprägten „will to please“, sodass Hundeführer, die eine einfache Lernkette bei ihrem Hund bevorzugen – etwas provokant gesagt einen „Befehlsempfänger“ –, mit dem eigenständigen Terrier nicht zurechtkommen.
Auch lassen sich andere Hunderassen, die nicht so spätreif sind wie der Airedale, viel schneller ausbilden. Somit kann das eine kürzere Ausbildung und mehr Einsatzjahre bedeuten. Außerdem steht eine gezielte Zucht hin auf eine bestimmte Eigenschaft der breit angelegten Allrounderherkunft gegenüber.
Noch heute ist es so, dass. sich Eigenschaften wie Jagd- oder Wachtrieb in der Stärke ihrer Ausprägung beim Airedale nicht zuverlässig planen lassen – selbst innerhalb eines Wurfes kann die Streuung enorm sein. Im Umkehrschluss sind, im Gegensatz zu manch anderen Rassen, auch die Unterschiede zwischen den Hunden aus leistungsorientierten Zwingern und denen aus schönheitsorientierten Zuchten nicht sehr groß: Erstere sind außerhalb des Hundeplatzes ebenso freundlich und können auf Ausstellungen mit „vorzüglich“ bewertet werden wie letztere volle, feste Griffe zeigen können und alles andere als Couchpotatoes sind. Die praktische Größe, die Intelligenz und Härte des Airedales lassen ihn noch heute für vieles geeignet sein – mit der richtigen Ausbildung.
Wie lässt sich der Airedale ausbilden?
In der Erziehung sind beim Airedale die beiden oben genannten Punkte grundlegend wichtig: Er ist ein ausgesprochener Spätentwickler, der zum Erwachsenwerden ganze drei Jahre benötigt und auch dann noch ein Kasperkopf bleibt, und er bietet keinen Kadavergehorsam. Wer diesen von ihm erwartet, wird sich in den ersten Jahren mit einem Clown konfrontiert sehen, beim älteren Hund stößt er dann auf die berüchtigte Sturheit.
Der Airedale lernt jedoch tatsächlich gerne. Um sein Potenzial voll auszuschöpfen, muss man sich auf seine Art und Weise allerdings einlassen. Er schweift schnell ab, wenn man zum Beispiel eine Übung endlos wiederholt, nur um die Ausführung zu verbessern.
Auch hinterfragt der Airedale gerne die generelle Sinnhaftigkeit der menschlichen Absicht hinter den Kommandos und testet immer wieder deren Gültigkeit aus. Für diesen Hund mit Köpfchen ist daher auch Training mit Köpfchen gefragt.
Der Kniff besteht darin, den Airedale dazu zu bringen, dass er genau das machen will, was man selbst machen möchte, und dabei nicht gegen seine Natur zu arbeiten, sondern mit ihr: Er muss seinen Spaß an der Sache und seinen Humor behalten können.
Wichtig ist hier auch die enge Teambindung des Airedales zum Menschen. Er macht mit Begeisterung etwas zusammen mit seinem oder seinen Menschen, verliert aber schnell die Lust, wenn Mensch ihm zu viele Steine in den Weg legt, zu viel Ernsthaftigkeit oder schnellere Ausbildungsfortschritte von ihm verlangt. Dann kommt seine Eigenständigkeit durch und er sucht sich eine Beschäftigung, die ihm mehr Spaß macht.
Lässt man ihn gelegentlich – wenn es für das Ausbildungsziel unwichtig ist – bewusst im begrenzten Rahmen seine Interessen verfolgen und beteiligt sich als Mensch auch noch daran, dann arbeitet der Airedale nur zu gerne auch weiter mit, ganz ohne Sturheit.
In der Ausbildungspraxis bedeutet das zum Beispiel, nach wenigen Wiederholungen lieber die Trainingseinheit zu beenden und nach einer Pause weitere Einheiten anzuschließen. Welche Art des Lobens sich am besten eignet, muss individuell getestet werden: Auf überschwängliches verbales und gestikulierendes Lob, wie es oft von Hundetrainern gefordert wird, reagieren Airedales oft ungläubig, weil sie es nicht für echt halten, oder wegen ihres übersprudelnden Temperaments so stark, dass sie sich kaum wieder zur Konzentration zurückbringen lassen.
Zum sinnvollen Training gehört auch, einen zum Beispiel vorhandenen Jagdtrieb in ungefährliche Bereiche umzulenken, anstatt dem Hund den Trieb austreiben zu wollen – schon gar nicht mit Gewalt. Die quittiert der Airedale, der innerlich eher zu den feinfühligen Hunden zählt, in der Regel mit Gegengewalt. Aggressivität in Verbindung mit der Entschlossenheit und dem Mut des Airedales ist jedoch eine gefährliche, nicht kontrollierbare Mixtur. Der Schlüssel ist unaufgeregte, aber unbedingte Konsequenz. Wer bei seinem Hund wenig Wert auf Gehorsam legt, kann sich zwar durchaus Inkonsequenz erlauben; der Airedale bleibt ein gutmütiger, resilienter Hund. Einem inkonsequenten Hundeführer aber, der mit seinem Vierbeiner arbeiten möchte, tanzt der Airedale im Handumdrehen auf der Nase herum. Das bekommt man kaum mehr aus diesem gewitzten Hund heraus.
Noch mehr Wissen über den Airedale
Die Ausbildung des Airedales bewegt sich also zwischen gemeinsamer Teamarbeit und der Eigenständigkeit des Hundes, die spätestens dann durchkommt, wenn der Mensch dessen Engagement erzwingen will und seinen Charakter nicht berücksichtigt – und manchmal auch einfach so. Solche Momente, wenn sich der Frohsinn des Airedales lebenslustig Bahn bricht, meistert auch der Hundeführer am besten mit Humor und der bereits erwähnten Geduld. Und es gibt noch einige weitere typische Merkmale, die in einem Rasseporträt nicht fehlen dürfen.
Etwas, das schnell auffällt und auf viele erschreckend wirkt, ist die Lautstärke spielender Airedales: Die meisten knurren so laut, dass Uneingeweihte glauben, die Hunde würden sich zerfleischen, dabei gehört das Verbalisieren zum normalen Verhaltensrepertoire. Der Airedale ist tendenziell „geschwätzig“: So wenig er kläfft, so viel knurrt, grunzt, quietscht er. Manche scheinen einfach alles kommentieren zu müssen.
Ebenso auffällig ist die robuste Gesundheit der Rasse.
Nur wenige Erkrankungen kommen überhaupt häufiger vor, und auch Trächtigkeit und Geburt verlaufen in der Regel problemlos. Hinzu kommt eine extrem hohe Schmerzschwelle: Wenn dieser zähe Hund Unwohlsein zeigt, ist es allerhöchste Zeit, zum Tierarzt zu fahren! Krallen ohne Betäubung ziehen, über
40 ° Celsius Fieber bei einem nur leicht ermatteten Verhalten oder ein Airedale, der nach einem schweren Unfall mit zahlreichen nachfolgenden Operationen weiterhin schwanzwedelnd die Tür der Tierarztpraxis aufdrückt – alles keine Seltenheit. Hier ist der Mensch gefragt, seinen Airedale gut im Auge zu haben.
Wenig im Auge haben muss man das Fell des drahthaarigen Terriers, das aus Unterwolle und Deckhaar besteht. Er kennt keinen Fellwechsel und haart bei richtiger Pflege nicht.
„Richtig“ heißt hier, regelmäßiges Kämmen und drei- bis viermal im Jahr Trimmen. Dann bleibt die Deckhaarschicht – je nach Haartyp, der recht unterschiedlich ausfallen kann – leicht bis stark wasserabweisend. Airedales sind damit ziemlich wetterfest und lieben zudem die Kälte. Selbst wenn sie sich im höheren Alter gerne einmal vor dem Kamin die Knochen wärmen, nehmen ihre Laune und Belastbarkeit bei sommerlichen Temperaturen deutlich ab.
Wer passt zum größten Terrier?
Airedales sind also charakterstarke, unerschrockene, robuste und lebenslustige Hunde mit vielen Talenten sowohl als Arbeitshund wie auch als Familienbegleiter. Ihre Halter brauchen die Geduld und den Humor, über die Clownereien ihres jahrelang heranwachsenden Airedales hinwegzusehen. Sie brauchen den Willen und die Energie, um ihn vor allem im Kopf auszulasten, damit die Flausen darin nicht Überhand nehmen. Sie benötigen Fingerspitzengefühl für den richtigen Umgang mit der harten, mutigen Schale und dem weichen, sensiblen Kern des Airedales. Und sie müssen darauf vertrauen können, dass ihre ruhige, konsequente Erziehung vielleicht nicht sofort Früchte trägt, sich das aber entwickeln wird, wenn sie unbeirrt das Ausbildungsziel im Blick behalten. Sie werden dafür mit einem Hund belohnt, der nicht nur Energie oft bis ins hohe Alter hat, sondern in gleichem Maße Loyalität, (Kinder-)Freundlichkeit, Neugier und Mut.