Einen, zwei, viele – wäre die Antwort auf die Frage, wie viele Hunde man vor einen Schlitten spannen kann. In der Königsklasse „Unlimited“ konnte man bei der WSA Snowland World Championship 2019 in Haidmühle zum Beispiel ein 13-Hunde-Gespann laufen sehen.
Bald beginnt sie wieder, die Schlittenhundesaison: von einem Rennen zum nächsten zieht die internationale Musher-Gemeinschaft. Es ist eine ganz eigene Welt – man kennt sich untereinander und fährt Rennen mit- und gegeneinander. Überall das gleiche Flair: ohrenbetäubendes Bellen und Jaulen im Stakeout, weiter draußen Schnee und Stille, unterbrochen vom Knirschen der Kufen auf dem Trail und den Kommandorufen der Musher.
Der durchschnittliche Besitzer des durchschnittlich leinenführigen und kommandosicheren Hundes fragt sich natürlich, wie so ein Gespann aus vier, sechs, acht oder sogar zwölf Hunden wohl funktionieren kann. Antworten auf diese Frage suche ich bei Gregor von Gumppenberg: er züchtet und fährt „Hounds“.
„Hounds“, das sind die eleganten europäischen Schlittenhunde, die ihren Ursprung in Kreuzungen aus Pointern und Deutsch Kurzhaar haben, eigentlich gar nicht aussehen wie Schlittenhunde und deren Fangemeinde doch stetig wächst in der Szene. Sehr lauffreudig sind diese Hunde, aber auch bindungsstark und führig.
Bekannt ist der Weltmeister von 2008 nicht nur durch seine sportlichen Erfolge, sondern auch durch seine bewegende Geschichte von Krankheit und Drogensucht - und seine besondere Beziehung zu seinen Hunden, die es geschafft haben, ihn aus der Abhängigkeit zurückzuholen. Seit der letzten Saison ist er wieder im Sport dabei: nach einem kompletten Absturz ermöglichte eine Crowdfunding-Kampagne ihm die Zucht und Aufzucht eines eigenen Wurfs und das spätere Training der jungen Hunde.
Mutter seiner Welpen ist Momo, eine Hündin aus seinem Weltmeistergespann von 2008. Mit diesem außergewöhnlichen Gespann aus sechs Wurfgeschwistern (drei Rüden und drei Hündinnen) wurde Gregor 2019 deutscher Vizemeister und gewann die Bronzemedaille bei der IFFS Weltmeisterschaft in der 6-Hunde-Klasse Mitteldistanz.
Basis für diese Leistung ist seine langjährige Erfahrung mit Hounds in Sport und Zucht: bis zu 36 Hunde vom Welpen bis zum Rentner lebten zeitweise bei ihm. Er ist nicht nur Sportler, sondern widmet sich mittlerweile in seiner Hundeschule in Tutzing auch der besseren Kommunikation zwischen Mensch und Hund.
Als wichtigste Voraussetzung für erfolgreichen Schlittenhundesport nennt er die Homogenität eines Teams und dessen Harmonie bei der Größe der Hunde und ihrem Bewegungsablauf. Denn, wie er sagt:
„Ein Gespann ist immer so gut wie der schwächste Hund darin.“
Der Musher braucht das Gefühl dafür, wie weit er den Ehrgeiz der schnellsten Hunde einbremsen muss, damit alle zusammen die bestmögliche Geschwindigkeit auf eine lange Distanz halten können. Ansonsten kann es schnell passieren, dass ein Hund nicht mehr mithalten kann: der muss dann in den Schlittensack geladen werden und das für den Rest der Strecke. Aber das ist neben der körperlichen Überlastung und dem Ungleichgewicht, das für die anderen Hunde entsteht, auch schlecht für die Psyche aller Beteiligten.
Besondere Verantwortung im Team tragen die Leader (nicht zu verwechseln mit den Leithunden eines Rudels), die vorne im Gespann laufen. Sie müssen die Kommandos des Mushers hören, verstehen und umsetzen, die Geschwindigkeit halten, bei Tiefschneestrecken den richtigen Weg finden und bahnen – und nicht zuletzt dem Druck Stand halten, das ganze Gespann hinter sich zu haben. Potentielle Leader kann es im Team unabhängig von Alter und Geschlecht mehrere geben, denn die wichtigen Voraussetzungen Kommandosicherheit, Orientierungsvermögen und Ausdauer haben meist alle vier der vordersten Hunde. Bei Mehrtagesrennen kann der Austausch der Positionen taktische Hintergründe haben. Lässt man vielleicht am ersten Tag die erfahrenen Hunde in der ersten und die jüngeren in der zweiten Reihe laufen, kennen am zweiten Tag alle den Trail, sodass man probieren kann, ob beim Tausch die jüngeren Hunde in der ersten Reihe noch angriffslustiger und schneller sind.
Die Wheeler, also die Hunde, die direkt vor dem Schlitten eingespannt werden, sind keineswegs nur „Mitläufer“. Nein, sie haben den anspruchsvollsten Job. Sie haben den Schlitten direkt hinter sich, müssen dessen Bewegungen und die Fliehkraft, die von ihm ausgeht, kompensieren und jederzeit das Tempo und die Spur halten. In dieser Position ist nicht, wie man denken könnte, die Größe des Hundes ausschlaggebend, sondern der ausgeprägte Laufwille und die Konstanz.
Junge Hunde laufen zur Eingewöhnung erst einmal in der Mitte eines Gespanns mit, damit sie sich an den Schlitten gewöhnen. Parallel dazu gibt es Kommandotraining, denn der Musher hat - außer über die Bremse des Schlittens - ausschließlich verbalen Einfluss auf seine Hunde. Deshalb müssen die unbedingt lernen, sich neben dem Drang nach vorne auch nach hinten zu orientieren und auf Signale zu warten.
Nicht jeder Hund passt in jedes Team.
Auch diese Erfahrung musste Gregor machen und hat mittlerweile eine Hündin aus seinem Wurf abgegeben. Im Gespann war sie gestresst, als „Einzelkämpferin“ in Ski- und Bikejöring hat sie nun ihre Bestimmung gefunden.
Mit „nur“ sechs Hunden ohne Reserven in der Sechserklasse zu konkurrieren, ist mehr als knapp. Also hat Gregor die Sommerpause genutzt, seinem Traum vom Weltmeistertitel einen Schritt näher zukommen: Hündin Pamuk, eine der Zuverlässigsten in seinem Gespann, wurde Mitte Juli Mutter von sieben Welpen. Von Anfang an war sein Plan, drei bis vier von ihnen zu behalten und die anderen in liebevoll-sportliche Hände abzugeben. Die Auswahl zu treffen fiel schwer, denn allein die körperliche Entwicklung der Sprößlinge sorgte immer wieder für Überraschungen. Mittlerweile sind zwei Hündinnen und ein Rüde in ihr neues Zuhause umgezogen. Die anderen vier werden ganz behutsam bald erste Bekanntschaft mit dem Zughundesport machen.
Für die Erfüllung eines Traumes braucht er aber nicht nur seine Hunde, sondern auch die bedingungslose Unterstützung von Julia, seiner Lebensgefährtin und Partnerin in der Hundeschule Tutzing. Ohne sie hätte es wohl den „Traum vom Weltmeister“ nicht gegeben. 2016 hat sie unermüdlich das Crowdfunding für den Neuanfang vorangetrieben und zum Erfolg geführt. Sie kümmert sich um Kinder, Hunde, Hundeschule und nicht zuletzt die
Finanzen der Familie. Zughundesport ist aufwendig und teuer: die Hunde müssen gefüttert und ausgebildet werden, das Equipment muss in Schuss bleiben, die Trainings- und Rennorte erfahren werden. Zumindest einen kleinen Teil dieser Kosten übernehmen Hunde-Paten, die sich vielleicht für einen der Hunde besonders interessieren, ganz allgemein dem Zughundesport verbunden sind oder die therapeutische Komponente für Gregor unterstützen möchten.
Zughundesport verbindet eben und man hilft sich: manchmal im Kleinen, manchmal im Großen.■