IFSS "ON-SNOW" WM Hamar 2022
Vom 21. bis 27. Februar hat im norwegischen Hamar die IFSS "On-Snow" World Championships & World Masters stattgefunden. 350 Musher sind aus 20 Nationen angereist, um dort mit ihren Hunden in den on-snow-Disziplinen Skijöring, Pulka und Schlittengespann um die Titel und Platzierungen zukämpfen. Das deutsche Team fuhr mit zwei Silber- und einer Bronzemedaille nach Hause.
Temperaturen tagsüber um die 0 Grad, strahlend blauer Himmel und die Garantie auf viel Schnee – Norwegen ist ein Eldorado für Wintersportler. Musher schwärmen zudem von den gepflegten, aber gleichzeitig anspruchsvollen Streckenverläufen. So sind die Ski-Trails rund um den Austragungsort Hamar kurvig und haben interessante Wechsel aus Gefällen und Steigungsstrecken. Die Sled-Trails sind flach und auf hohe Geschwindigkeiten ausgelegt.
„Es mussten in bestimmten Klassen zwei Runden gefahren werden. Das ist schwierig, weil die Hunde am Ziel vorbeigesteuert werden müssen und sich die Tiere teilweise entgegenkamen“, erklärt Teilnehmerin Laura Stichling. Insgesamt also im Schwierigkeitsgrad einer Weltmeisterschaft würdig. „Da haben sich die Veranstalter tolle Sachen überlegt“, stimmt auch Kaderkollege Detlef Oyen zu. „Eine beachtliche Leistung, wenn man bedenkt, wie wenig Zeit zur Verfügung stand.“
KURZFRISTIG VERLEGT
Weniger als vier Wochen, um genau zu sein. Denn eigentlich hätte die Veranstaltung im schwedischen Åsarna stattfinden sollen. Doch aufgrund unsicherer Schneeverhältnisse wurde sie Ende Januar ins norwegische Hamar verlegt. Das setzte mindestens ebenso viel Spontanität und Organisationsstärke seitens der Teilnehmer voraus. Nicht wenige Teilnehmer waren schon nach Schweden angereist, um vor Ort trainieren zu können.
Der neue Austragungsort aber ging mit mehr Vorbereitungsarbeit einher. Anders als Schweden verlangt Norwegen bei der Einreise von Hunden generell den Nachweis einer Bandwurmkur, von den Menschen zum damaligen Zeitpunkt zusätzlich noch einen negativen COVID-19-Test. Es gab daher eine Reihe von Sportlern, die auf die Teilnahme verzichteten und aus dem Trainingscamp wieder nach Hause zurückfuhren.
VON WETTKAMPF ZU WETTKAMPF
Das stand für Detlef Oyen nie zur Debatte. „Weltmeister werden kann nur der, der antritt“, findet er. Der 65-Jährige war als Weltmeister und Titelverteidiger in der Sled-Klasse SpU mit 19 Hunden direkt aus Frankreich von der Grande Odyssée angereist – von einem kurzen Aufenthalt in Deutschland abgesehen.
Auch Laura Stichling und ihr Lebensgefährte Thomas Bing mussten nicht zweimal überlegen, obwohl der neue Austragungsort auch ihre Planung durcheinander gebracht hat.
Von Hamar, wo Thomas mit Hound-Rüde Flash im Skijöring (SM1) an den Start ging, reiste der Profi-Langläufer im deutschen Nationalkader direkt weiter ins finnische Lahti zum Weltcup. Hundesport macht er eigentlich nicht, startet nur im Skijöring, was ja nahe liegt und sich durch seine Lebenesgefährtin ergeben hat. Die 25-Jährige trat mit Greyster-Hund Atika im Skijöring (SW1) und im Pulka (PW1) an und im Team mit zwei Musherkolleginnen in der Staffel.
2x SILBER IM SLEDDOG
Die gemeinsame Arbeit mit den Hunden treibt Sportler wie Detlef Oyen und Laura Stichling an. 365 Tage im Jahr mit den Tieren zusammen sein, durch Dick und Dünn miteinander gehen. Und sich gemeinsam bei Wettkämpfen und Meisterschaften messen. „Erst, wenn der Schlitten über die Ziellinie saust, ist es geschafft“, weiß der erfahrene Musher. Bis dahin kann viel passieren. In Hamar musste er 3x 22,5 Kilometer mit seinen Hunden bewältigen. In zwei der Etappen hätte es zeitlich locker für einen Platz auf dem Podest gereicht, doch im dritten Lauf machten zwei Hunde schlapp. Der kurze Stopp, um sie hinten zu sich auf den Schlitten zu nehmen, brachte das Gespann am Ende auf Platz fünf. „Das ist schade, aber nicht zu ändern. Am wichtigsten ist, dass es allen wieder gut geht“, so Detlef Oyen. Dafür holten die deutschen Schlittenhundefahrer Martin Dickel und Uwe Radant in zwei anderen Klassen eine Silbermedaille.
STAFFEL-BRONZE IM SKIDOG
Laura Stichling verpasste das Treppchen im Skijöring der Damen um rund 45 Sekunden und wurde starke Vierte. Beim Pulka wurde sie Siebte. „Da finde ich die Zwischenzeiten sehr interessant: nach der ersten Runde lagen Atika und ich im Mittelfeld, haben aber als schnellste in der zweiten Runde viele Plätze gut gemacht. Unsere Ausdauer ist also vorhanden, aber wir müssen noch am Sprint arbeiten. Das ist machbar“, analysiert Laura Stichling. In der Staffel holte sie am Ende zusammen mit ihren Musherkolleginnen Ursel Steeb und Beatrice Semmingsen-Gatti die Bronzemedaille.
Noch knapper war es bei Thomas Bing, der beim Skijöring der Männer mit seinem fünften Platz das Treppchen sogar nur um 20 Sekunden verpasste. „Obwohl Flash rassebedingt eher ein Gespann- und kein typischer Skijöring-Hund ist, ergänzt er sich mit Thomas prima. Flash ist ein Kämpfer, der richtig gut zieht und Thomas kann als Skilanglauf-Profi von hinten schieben. So spielen beide ihre Stärken optimal aus“, erklärt sie das Erfolgsrezept.
VERÄNDERUNGEN IM GESPANN
Und jetzt? „Nach dem Spiel ist vor dem Spiel“, lacht Detlef Oyen. Ein paar Tage Urlaub mit gemütlichen Touren gönnt er sich und seinen Hunden in Norwegen noch, dann geht es ins bayerische Massing zurück.
Dort warten nicht nur fünf ältere Hunde auf ihn, die auf seinem alten Hof ihren Lebensabend genießen. Auch drei Junghunde sind dabei. „Die werden dann elf Monate alt sein, so dass ich sie langsam an den Zughundesport heranführen kann.“ Dabei geht es im ersten Schritt nur darum, dass die Hunde verstehen, was von ihnen verlangt wird.
"Mir ist zum Beispiel wichtig, dass sie sich in gespannter Erwartung das Geschirr anziehen lassen, ohne quirlig herumzuhüpfen“, erklärt er. Sie sollen künftig im Gespann zwei Hunde ersetzen, die sich ebenfalls in den Ruhestand verabschieden sollen. Auch bei den anderen Hunden denkt er über Änderungen nach, um die Stärken seiner Hunde optimal auszunutzen. Für die Saison 2022/2023 will Oyen mit einem neu zusammengestellten Gespann startklar sein.
CANICROSS IM SOMMER
Laura Stichling hingegen lässt das Jahr 2022 auf sich zukommen. Nach der Sommerpause will sie im Canicross antreten, um in Form zu bleiben. Viel Unterstützung wird es dabei wieder von ihrem Vater geben, der früher selbst aktiver Musher war und ihr den Sport in die Wiege gelegt hat. Doch darüber hinaus hat sie keine großen Pläne, denn auch bei ihr stehen Grundsatzfragen an. Ihr Hund Flash kommt nun in das Alter, in dem sich die Frage nach der Konkurrenzfähigkeit stellt. Doch so weit ist sie noch nicht, gezielt auf die Suche zu gehen: „Irgendwann sehe ich einen Welpen und weiß, der ist es und kein anderer“, ist sie sicher. Deshalb ist auch bei ihr erstmal Urlaub angesagt. Zusammen mit ihrem Lebensgefährten Thomas Bing hängt sie noch einige Tage in Schweden dran. Er hat allerdings auch schon das nächste sportliche Großereignis fest im Blick: den Wasalauf.
KLEINES ABC DES SCHLITTENHUNDESPORTS:
Schlittenhundesport ist die "on-snow"-Variante des Zughundesports, für den es auch die Dryland-Disziplinen gibt. In beiden Varianten gibt es viele Klassen, den Durchblick zu behalten ist für ausstehende Interessierte nicht leicht. "On-snow" gibt es drei Disziplinen, die durch die Art der Fortbewegung definiert sind: Ski, Pulka und Schlitten.
Berücksichtigt wird die Anzahl der Hunde. Skijöring und Pulkarennen werden mit maximal zwei bzw. vier Hunden ausgetragen, einen Schlitten ziehen mindestens zwei. Sind mehr als acht Hunde im Einsatz, spricht man von der "offenen Klasse" oder von "unlimited". Auch die Streckenlängen sind ausschlaggebend, es gibt den Sprint und Distanzrennen, die ab 40 Kilometer pro Tag anfangen (Mitteldistanz (MD) / lange Distanz (LD)) und als Etappenrennen ausgetragen werden. Sprintrennen liegen zwischen zehn und 20 Kilometern und sind die am häufigsten ausgtragenen Rennen im Schlittenhundesport.
Natürlich geht die Aufteilung dann auch noch in Richtung Alter und Geschlecht der Musher und am Ende kommt es auch noch darauf an, wer vorn zieht. In der IFSS können alle Hunde mitmachen, die WSA ist nur für reinrassige sogenannte "pure-nordic breeds", wie Siberian Husky, Samojede, Grönlandhund und Alaskan Malamute. Diese haben bei IFSS-Rennen eine eigene Klasse, vorausgesetzt es sind mindestens fünf Teams am Start.
Skijöring (S) wurde erstmals bei den Olympischen Winterspielen 1928 vorgestellt. Ein Team besteht aus einem Skilangläufer, der hinten kräftig schiebt, und ein bis zwei Hunden, die vorne ziehen. Gemeinsam legen sie Distanzen von bis zu 20 Kilometern (ein Hund) bzw. bis zu 30 Kilometer (zwei Hunde) zurück und kommen dabei auf Geschwindigkeiten von bis zu 40 Stundenkilometern. Das Mindestalter der Hunde liegt bei 15 Monaten. Musher können in verschiedenen Klassen antreten, die nach dem Alter („J“ für Junior) und Geschlecht (M/W) der Führer, der Anzahl der Hunde (1/2) und der Streckenlänge variiert. Beispiele: SM1 = Skijöring mit einem Hund, männlich / SW2 = Skijöring mit zwei Hunden, weiblich
Beim Pulka (P) bewegt ein Team aus Skilangläufer und bis zu vier Hunden einen wannenförmigen Lastschlitten, die sogenannte „Pulka“. Ihr Gewicht muss hierbei 70 Prozent des Hundegewichts betragen. Das Mindestalter der Hunde liegt hier bei 15 Monaten. Musher können in verschiedenen Klassen antreten, die nach dem Alter („J“ für Junior) und Geschlecht (M/W) der Führer, der Anzahl der Hunde (1/2/3/4) und der Streckenlänge variiert. Beispiele: PM4 = Pulka mit vier Hunden, männlich / PW1 = Pulka mit einem Hund, weiblich / MDPW = Mitteldistanz Pulka weiblich
In der Combined Wertung wird zweimal die gleiche Strecke zurückgelegt, einmal mit Pulka und einmal im Skijöring.
In den Schlittendisziplinen (Sled) besteht ein Gespann aus 2, 3 bis 4, 5 bis 6 und 7 bis 8 Hunden. Alles über 8 Hunde gilt als „offen“. In der "offenen Klasse" sind maximal 16 vorgespannte Schlittenhunde erlaubt. Da dies eine sehr hoher Herausforderung ist, werden solche großen Gespanne ab acht Hunden nur von sehr erfahrenen Mushern geführt. Viel Erfahrung und Wissen über den Schlittenhundesport und die Ausbildung sind existentiell.
Die Hunde ziehen ihren Musher im Schlitten („sled“) hinter sich her. Musher können in verschiedenen Klassen antreten, die nach dem Alter („J“ für Junior) der Führer, der Anzahl der Hunde (2/4/6/8/U) und der Streckenlänge („Sp“ für Sprint, „MD“ für Mid-Distance, „LD“ für Long-Distance) variieren.
Beispiele: Sp6 = Sprintrennen mit 5-6 Hunden im Gespann / SpU = Sprintrennen mit mindestens 9 Hunden / MD12 = Mitteldistanzrennen mit 12 Hunden
Auf eine Trennung der Sportler nach Geschlecht wird beim Sled verzichtet.
Quellen: International Federation of Sleddog Sports (IFSS) / Verband Deutscher Schlittenhundesport Vereine (VDSV)