Diversity im Hetzanzug

Schutzdiensthelferinnen können es auch - der Gebrauchshundesport wird moderner!

 

„Frauen kommen langsam, aber gewaltig!“ Diese Hymne der Frauenbewegung hat Ina Deter uns 1986 um die Ohren gehauen. Seit vielen Jahren sind Frauen auch im Hundesport gewaltig auf dem Vormarsch. Und damit meine ich nicht nur Dogdancing oder Agility. Auch im Schutzhundesport, der ja laut eines moppeligen Komikers angeblich die Domäne alkoholisierter Männer ist, sieht man heutzutage selbstverständlich von der Ortsgruppe bis hin zu den Spitzenplätzen bei Weltmeisterschaften Frauen. Und das ist gut so! 

Frauen, die im Verein die Hosen anhaben, also die Hetzhosen, sind jedoch noch nicht so weit verbreitet. Aber auch das wird sich bestimmt ändern – langsam, aber gewaltig. 

Müssen die Platzhirsch-Figuranten sich jetzt warm anziehen? Wird es eine Ära der Gottesanbeterinnen mit Hetzarm und Peitsche geben? Ersteres wäre gut! Das Zweite steht nicht zu befürchten. Aber im Ernst... Überall, wo Frauen in Männerdomänen eindringen, gehen damit Veränderungen einher. Veränderungen in der Kommunikation, in der Wahrnehmung, in der Außendarstellung, in der Herangehensweise und wahrscheinlich noch viel mehr. Für eine Schutzdiensthelferin heißt das sicherlich, dass sie an gewissen Punkten im Schutzdienst eher auf Technik, als auf Kraft setzen muss. Über diese und andere Aspekte habe ich mich mit Alina Schommer unterhalten, die vor kurzem ihre Helferprüfung im RZV für Hovawart-Hunde e.V. absolviert hat.

Alina ist eine intelligente, junge Frau, die „Chemie und Biotechnologie“ studiert und mit einem Bachelor abgeschlossen hat und nun mit vollem Elan an ihrem Master in „Angewandter Chemie“ arbeitet. Sie ist seit Kindesbeinen im Hundesport verwurzelt und hat so manches Mal ihre Hausaufgaben zwischen Unterordnung und Schutzdienst erledigt. Ihren ersten Hund, Marlo, hat sie mit zehn Jahren von ihrer Mutter übernommen. Marlo hat sie dann hin und wieder als Mitführhund geführt und so gefahrlos erste Prüfungsluft geschnuppert. Mittlerweile bildet Alina ihren dritten Hovawart aus und hat zig erfolgreiche IGP 3 Prüfungen in der Leistungskarte. 

Darüber hinaus ist die 26-Jährige auch als Schutzdiensthelferin aktiv! Warum hat Alina die Seiten gewechselt? Von der mit Leine hinter dem Hund, zu der vor dem Hund mit Ärmel und Schlagstock?

„Angefangen hat das, als ich Iro ex canis lupus bekommen habe. Mit ihm habe ich auch viel zuhause gearbeitet. Und dann habe ich mich eben auch in die Position des Schutzdiensthelfers begeben, um das Verbellen zu trainieren und das Aus und solche Sachen.“

Ihr Talent blieb nicht unentdeckt und so assistierte sie in ihrer Ortsgruppe der HSG Mönchengladbach Hardt beim Schutzdienst, sprang bereitwillig ein, wenn mal einer der Helfer fehlte und ruckzuck stand sie vor der Frage: „Ganz oder gar nicht?“ Die Antwort ist genauso eindeutig ausgefallen, wie die Fragestellung und so hat Alina bei der letzten Vereinsprüfung ihren Helferschein gemacht.

Dazu musste sie zuerst eine theoretische Prüfung bestehen und sich dann der praktischen stellen. Unter den kritischen Augen eines Richters und eines Lehrhelfers musste Alina zuerst bei der Arbeit mit zwei Junghunden beweisen, was sie gelernt hatte. Dabei war es nicht nur wichtig, dass sie genau erklären konnte, was sie da gerade tat, auch die Kommunikation mit dem Hundeführer wurde bewertet. Anschließend musste sie noch die Helferarbeit aus der Jugendbeurteilung des RZV zeigen und sowohl einen Einser und einen Dreier Hund prüfungsmäßig arbeiten. Ganz schön viel Holz!

 

Gegen alle Widerstände

Von ihrem Verein hatte sie dabei volle Rückendeckung, aber es gab auch Vorbehalte. „Von der ein oder anderen Seite kam auch Gegenwind. Da hieß es dann, dass man das als Frau körperlich nicht schaffen kann. Das hat mich zuerst ein bisschen getroffen, aber dann habe ich mir gedacht: Euch zeige ich es!“

Wo Schatten ist, muss auch Licht sein. Und so gab es auch Helfer, die Alina ermutigt haben. „Ich war auf einem Seminar und Steffen Herrmann (Lehrhelfer im RZV) hat gesagt: Du hast ein ganz tolles Gefühl für den Hund. Du siehst Sachen. Du bist schnell. Du setzt das sofort um. Das hat mir Mut gemacht. Da hab ich gedacht, anscheinend kann ich das doch!“

Der Anfang im Schutzhundesport

Mit so viel Rückenwind hat Alina dann den offiziellen Weg eingeschlagen und sich zu einer Helferschulung angemeldet. Für alle, die es nicht so genau wissen... Es gibt Vereine wie z.B. den Verein für Deutsche Schäferhunde, da darf im Prinzip jeder eine Ortsgruppen-Prüfung figurieren, für Landes- und Bundesveranstaltungen werden dann Lehrhelfer eingesetzt. Im RZV bei den Hovawarten wird ein anderes Konzept verfolgt. Da muss man zuerst einen Helferschein machen, ehe man als Schutzdiensthelfer auf Prüfungen, Jugendbeurteilungen, ZTP etc. eingesetzt wird. Zur Vorbereitung, aber auch für die regelmäßig nötigen Verlängerungen des Helferscheins, dienen Helferschulungen.

Und wie war es da mit den Vorurteilen der männlichen Kollegen? „Du merkst, dass sie Bedenken hatten, wenn sie nachher zu dir kommen und sagen: „Das war gar nicht schlecht. Das hätte ich aber nicht gedacht.“ Nachdem die ersten Zweifel ausgeräumt waren, gab es aber einen guten Austausch und ich konnte einiges mitnehmen.“ 

 

 

der Anfang ist gemacht

Der Jugend gehört die Zukunft

Noch mehr konnte Alina auf dem „IGP Youngstars Camp“ lernen, von dem sie voller Begeisterung berichtet. „Die waren mir gegenüber total unvoreingenommen und haben mir echt klasse Tipps gegeben. Ralf Conzelmann (Helfer FMBB) und Andreas Kreis (Lehrhelfer im DMC) ist zum Beispiel sofort aufgefallen, dass ich versucht habe, Sachen wie das Einstellen des Hundes mit Kraft zu lösen. Ich habe mir das bei unseren Helfern so abgeguckt, aber sie haben gesagt: „Warum machst du dir die Mühe, den Hund zuerst abzusetzen und dann wieder hochzuholen. Du hast ihn doch beim Bedrängen schon oben. Dreh dich doch dann einfach davor.“ Das hat mir so viel gebracht. Ich konnte da echt viel mitnehmen.“

 

 

 

 

Technik sticht Kraft

Als ich Alina frage, was für sie als Frau das Schwierigste im Schutzdienst ist, muss sie nicht lange überlegen. „Das Bedrängen des Hundes! Das wirklich gut hinzubekommen. Dabei nicht über den Hund zu fallen oder sich von ihm durch die Gegend ziehen zu lassen. Aber mittlerweile habe ich auch da meine Technik gefunden und kriege es ganz gut hin. Früher habe ich immer Respekt vor der langen Flucht gehabt. Jetzt finde ich das gar nicht so schwer. Vor allem wenn du Hunde hast, die durchziehen. Dann muss man nämlich „nur“ die Energie übernehmen, umsetzen und den Schwung dann fürs Bedrängen nutzen.“

Das Körperliche ist das eine, aber um einen Hund im Schutzdienst gut aufzubauen, braucht es auch Einfühlungsvermögen. Sind Frauen in diesem Punkt vielleicht im Vorteil? Alina findet nicht, dass man das explizit auf Frauen beziehen kann. „Das ist ja nicht vom Geschlecht abhängig. Aber ich denke, dass Einfühlungsvermögen mit das Wichtigste für einen Helfer ist. Er muss den Hund gut lesen und schnell und adäquat darauf reagieren können. Das meiste andere kann man tatsächlich über Technik lösen.

Grappa von der HüttenmühleAls Schutzdiensthelferin ist man schon auf dem Hundeplatz ein Exot. Wie mögen dann erst Alinas Freunde und Kommilitonen auf das außergewöhnliche Hobby reagieren? „Da kommt nicht mehr oder weniger Interesse, als wenn sie berichten, was sie am Wochenende getrieben haben. Die, die Hunde haben, interessiert das etwas mehr. Die fragen auch schon mal genauer nach. Mein Professor findet es spannend, was ich mit den Hunden mache und was die alles so können.“

Den Segen der Chemiker haben wir also für unseren Sport. Wie wichtig ist da im Vergleich ein Fernsehkomiker?! Weder von Bedenkenträgern im Hundesport, noch von denen von außerhalb sollten sich Frauen davon abhalten lassen, dem Vorbild von Alina und den anderen aktiven Schutzdiensthelferinnen zu folgen. Mädels, traut euch! Ihr seht, es geht. 

Frauen sind nicht die besseren Männer. Aber sie stehen ihren Mann! Oder besser gesagt: ihre Frau! Und das auch als Schutzdiensthelferinnen! Wer meint, das belächeln zu müssen, hat nicht verstanden, wie wertvoll Diversität ist. 

 

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