Mutig oder zukunftsweisend?
Im DVG kennen ihn alle, den Obmann für Gebrauchshundesport des Verbandes: Volker Sulimma, 64 Jahre, ist seit 1985 im DVG, amtierender Vereins- und Landesvorsitzender und Beauftragter für Mantrailing. Als Hundeführer war er mit verschiedenen Hunden mehrfach Teilnehmer bei Landesverbandsmeisterschaften, der dhv DM und der Internationalen Deutschen Meisterschaft für Diensthundeführer. Seit 1990 ist der auch Leistungsrichter im DVG/VDH und hat schon auf vielen großen Veranstaltung bewerten dürfen: 11x Landesmeisterschaften im DVG, 2x Bundessiegerprüfungen DVG, 1x dhv DM, 2x VDH DM, 4x USA/DVG/ AWMA/ AWDF, 1x WDSF WC 2024, 3x Australien National und Club, 2x Japan National und Club ... Ganz schön viel Erfahrung und Kompetenz also.
Und nun ist der erste Leistungsrichter, der den Einsatz einer Helferin im Schutzdienst auf einer Weltmeisterschaft entschieden hat. Sporthund hat sich mit ihm unterhalten:
Volker vielen Dank, dass Du dir die Zeit nimmst! Aktiv im Sport unterwegs sein, auch selbst ausbilden und auf Prüfungen vorführen: Wie wichtig ist das deiner Meinung in Bezug auf die faire, kompetente Richtertätigkeit?
Volker Sulimma: Leistungsrichter kann man werden, wenn nach der gültigen Ordnung die Voraus-setzungen dafür erfüllt sind. Dazu gehören u.a. mindestens in den Stufen IGP 1-3 zwei Hunde erfolgreich ausgebildet zu haben. Nach einer intensiven Schulung mit einer Abschlussprüfung wird man zum LR zunächst auf Probe ernannt. Schutzhundesportler und Helfer besuchen regelmäßig Seminare und Schulungen, um sich ständig weiterzubilden. Es verändert sich ja auch ständig die Arbeit mit dem Hund, allein schon aus tierschutzrechtlichen Gründen.
Der LR, der vor 30 Jahren seinen „Richterschein“ gemacht hat und keinen Hund mehr führt, keine eigene Weiterbildung in Sachen Hundeausbildung betreibt, kann meiner Meinung nach nicht immer auf dem neuesten Stand sein, um die tatsächlichen Qualitäten des Hundes und auch das Vorführen des Hundeführers zu bewerten.
Vor einer Großveranstaltung, wie auch einer WM, werden immer Helfer gesichtet, die potenziell für die Aufgabe am Tag X in Frage kommen. Wie läuft so eine Sichtung ab? Gibt es da Einladungen oder können sich Helfer bewerben?
Volker Sulimma: Vor der Großveranstaltung gibt es eine Helfersichtung. Im DVG erfolgen die Meldungen über die Landesverbände, im VDH erfolgen die Meldungen über die einzelnen Verbände der Gebrauchshundeverbände.
Und warum hattest du für die WDSF die Helfer Jerome Jenkins, Timo Witters und Marcel Wissing ausgewählt?
Volker Sulimma: Die Helfer für die WDSF wurden im Vorweg vom Veranstalter benannt. Alle drei sind sehr erfahrene Schutzdiensthelfer, die schon bei etlichen Großveranstaltungen im In- und Ausland erfolgreich figuriert haben.
Wie kam es zum Einsatz der Holländerin Kim Hooymayers? Man kann sich nur schwer vorstellen, dass nicht auch andere potenzielle SD-Helfer vor Ort waren.
Volker Sulimma: Nachdem kurzfristigen Ausfall von Jerome Jenkins am Freitag gegen Mittag musste schnellstens Ersatz gefunden werden, der Probeschutzdienst stand unmittelbar bevor. Eine schnelle Abfrage in den Nationen verlief weitestgehend negativ, lediglich im niederländischen Team war eine junge Schutzdiensthelferin, Kim Hooymayers, die gerade im Februar ihre Qualifikationsprüfung als Helferin bestanden hatte. Sie war sofort bereit hier einzuspringen.
Die Idee, da eine Frau einzusetzen muss ja erstmal „geboren“ werden. Das gab es ja noch nie, soweit ich weiß – und den Mut dazu aufzubringen, Respekt! Beschreibe kurz die Vorzüge von Kim, ihr habt ja eine kleine Vorab-Sichtung gemacht, was hat dich überzeugt?
Volker Sulimma: Natürlich bin ich an die Sache neutral herangegangen, mittlerweile habe ich einige Frauen im Anzug auf einem Platz gesehen, die dort eine gute und solide Arbeit gemacht haben.
Nachdem Kim sich gemeldet hatte, sind wir auf einen auf einen entlegenen Hundeplatz gefahren und alle drei Helfer haben mehrere Hunde gearbeitet. Kim konnte sich überzeugend präsentieren, ihre technische Arbeit, Geschwindigkeit und auch ihre Belastung in den Bedrängphasen waren sehr gut. Hinzu kam noch ihr sehr gutes Annehmen der Hunde beim langen „Gang“. Nach einer kurzen Abschlussbesprechung standen die Helfer fest. IPG 3: Teil 1 Marcel Wissing, Teil 2: Timo Witters und im IGP 1 und 2 für beide Teile Kim Hooymayers.
Und wie bewertest du diese Aktion im Nachhinein? Ist das eine zukunftsträchtige Wende, dass auch Frauen auf Großveranstaltungen als Helferinnen im Schutzdienst eingesetzt werden können? Oder ist das aufgrund von Körperlichkeit schwierig?
Volker Sulimma: Grundsätzlich denke ich, dass auch Frauen geeignet sind auf Großveranstaltungen eingesetzt werden. Sicherlich gibt es noch nicht viele Frauen, die sich so etwas zutrauen. Natürlich müssen Kondition und Technik stimmen, aber das gilt genauso für männliche Helfer. Kim hat auf der WM eine hervorragende Arbeit gezeigt, obwohl sie keine Vorbereitung hatte. Ich fand es schon sensationell, man fährt zu einer WM um sein Team zu unterstützen, ist plötzlich und vollkommen unvorbereitet Schutzdiensthelferin und zeigt so eine sagenhafte Leistung, einfach toll!
Der Schutzhundesport hat sich die letzten Jahre verändert, weiterentwickelt, ist offener geworden, breiter bzgl. Rassen (zumindest auf Vereinsebene) und eben damit vielleicht eine Idee gesellschaftsfähiger. Könnte der Einsatz von Frauen als Helferinnen im Schutzdienst deiner Meinung nach auch einen Beitrag dazu leisten, das Image unseres umstrittenen Sportes positiv darzustellen?
Volker Sulimma: Der Schutzhundesport hat sich in den letzten Jahren stark verändert. Die Prüfungsordnung stellt andere Anforderungen, die Ausbildung hat sich ebenfalls verändert, es wird wesentlich mehr auf die positive Ausstrahlung und Arbeitsfreude geachtet. Natürlich gibt es im Einzelnen noch die ewig Gestrigen, die meinen, nur mit Härte kommt man weiter. Kommt der Hund nicht mit, taugt er nichts und muss weg. Der Anteil der Hundesportlerinnen ist seit mehreren Jahren stetig steigend. Ob Frauen als Schutzdiensthelferinnen eingesetzt einen positiven Beitrag für unseren Schutzhundesport leisten können, vermag ich nicht zu sagen. Natürlich wäre es meiner Meinung nach wünschenswert, wenn die schon beschriebenen Voraussetzungen erfüllt sind.
Wie würdest du ansonsten für oder gegen den Fortbestand des Gebrauchshundesportes argumentieren und was wünschst du dir für die Zukunft?
Volker Sulimma: Ich hoffe und wünsche mir, dass der Gebrauchshundsport in Deutschland weiter eine Zukunft hat. Wie schon oben geschrieben bin ich seit 1985 Mitglied in einem Hundeverein. Ich habe dort als Ausbilder und Helfer gearbeitet. Bis zum heutigen Tag hat kein dort im Schutzdienst ausgebildeter Hund außerhalb der Platzanlage gebissen, der Hund wird durch die Arbeit dort voll ausgelastet und zeigt sich im privaten Bereich entspannt und ausgeglichen. Leider nimmt die Politik immer mehr Einfluss, nicht nur auf den Hundesport, sondern auf die gesamte Hundehaltung. Aus Unkenntnis werden Gesetze und Verordnungen erlassen ohne Fachleute, Veterinärämter, Hundesportverbände, VDH, diensthundehaltende Behörden oder Gutachter aus diesem Fachbereich einzubinden. Hier wünsche ich mir einen objektiveren Umgang der Politik und Behörden in Sachen Hundesport.
Natürlich haben wir auch Kim selbst befragt, wie ihr Werdegang ist und wie sie diese Aufgabe bewertet hat. Lest dazu in unserem anderen Blog das Interview mit Kim Hooymayers.