Schwanzwedelnd nimmt der 7-jährige Calle Anlauf, springt dynamisch über die Hürde und läuft weiter, bis er bei Diana angekommen ist. Gemeinsam machen sie noch einen Schritt, bevor sie sich zeitgleich einmal um die eigene Achse drehen. Was Diana Strätling und Calle da machen, nennt sich Rally Obedience und ist eine recht neue Hundesportart, die in den letzten zehn Jahren einen enormen Zuspruch in Deutschland fand.
Einzigartige Rassevielfalt
Border Collie, Sheltie, Malinois und Co.: Rassevielfalt sucht man in den bekanntesten Sportarten vergebens. Schaut man sich die letzte Starterliste der WM-Qualis im Obedience an, so findet man dort fast ausschließlich Border Collies. Im Gebrauchshundesport sind es fast nur Belgische und Deutsche Schäferhunde, im Agility dominieren Border Collies und Shelties.
Warum ist das so? Prüfungsordnungen werden immer strenger und die Hundesportler, die ihren Sport auf Spitzenniveau betreiben, werden immer ehrgeiziger. Um heutzutage mit dem eigenen Hund konkurrenzfähig zu sein, muss man sich für eine der typischen Rassen entscheiden. Beim Rally Obedience sieht das Ganze schon anders aus: DVG-Bundessieger werden auch mal Beauceron, Golden Retriever & Co.. Auch die Großen, wie Molosser und Doggen sieht man in den Parcours.
Vom Berner Sennenhund Calle, über Chihuahua, Mops, Spitz oder Zwergpinscher - alle können diesen Sport betreiben.
Und das Wichtigste dabei: Jeder dieser oder aller anderen Rassen und natürlich auch jeder Mischling hat im Rally Obedience die Chance zu gewinnen und das macht diesen Hundesport auch so attraktiv für die breite Masse. Viele Hundesport-Neulinge machen sich bei der Anschaffung eines Hundes noch gar keine Gedanken über die Vor- und Nachteile ihres „Sportgerätes“.
Dank Rally Obedience bekommt aber jeder Hundebesitzer die Chance, Hundesport zu betreiben und vor allem auch mal Turnierluft zu schnuppern oder sogar auch vorne mitzulaufen.
Von Richtungsänderungen und stationären Übungen
Was macht diese neue Hundesportart so reizvoll? Wie ist der Boom der letzten Jahre zu erklären? Der Ursprung des Rally Obedience liegt in Amerika bei Entwickler Charles L. „Bud“ Kramer. Aber auch in anderen Ländern, vor allem im skandinavischen Raum wird der Sport schon lange praktiziert. Maßgeblich an der Verbreitung in Deutschland beteiligt waren Manuela Klucken und Henk Buren, der als erster Deutscher ein Rally Obedience Turnier organisierte. Erst Ende 2012 wurde das erste offizielle Regelwerk vom DVG veröffentlicht und gilt seit 2013 auch beim VDH Deutschland.
Beim Rally Obedience hat das Hund-Mensch-Team einen Parcours zu bewältigen. Dieser Parcours besteht, je nach Leistungsklasse, aus 15 bis 24 verschiedenen Stationen, an denen eine Aufgabe erfüllt werden muss. Dies kann eine einfache Übung, wie Sitz oder Platz sein, eine Richtungsänderung, wie „90° rechts“ oder „270° links“ oder eine Tempoanweisung. Der Hund läuft dabei die ganze Zeit in der Fußposition. Links neben dem Hundeführer, dicht an seiner Seite.
Insgesamt gibt es rund 100 verschiedene Schilder, sodass es unendlich viele Möglichkeiten zur Kombination im Parcours gibt. Es wird also niemals langweilig.
Schaut man beispielsweise auf das Schild 2-221 aus Klasse 2 wird der Anspruch deutlich. Bei diesem Schild muss sich der Hund zunächst vor den Hundeführer stellen, sodass beide voreinander stehen. Dabei darf sich der Hund jedoch anders als beim Vorsitz aus der Unterordnung nicht setzen, sondern muss stehen bleiben. Dann gehen beide zusammen einen Schritt, für den Hundeführer rückwärts, für den Hund vorwärts und halten wieder an. Auch hier darf sich der Vierbeiner nicht setzen, sondern muss weiterhin stehen bleiben. Das Ganze wird dann noch einmal mit zwei Schritten und anschließend mit drei Schritten wiederholt. Keine einfache Übung also, die vor allem für Hunde, die zuvor in anderen Sportarten geführt wurden, eine echte Herausforderung ist.
Rally Obedience erfordert vom Hundeführer höchste Konzentration, denn die Kombination mancher Schilder macht es erforderlich, dass man sich bei der Parcoursbegehung die Reihenfolge, der Übungen merkt. Mehrere Schilder eng hintereinander oder sog. Mehr-Schild-Übungen: Hund und Hundeführer müssen immer einen kühlen Kopf bewahren.
Was macht Rally Obedience so interessant?
Anders als beispielsweise im Obedience oder IGP-Sport steht nicht die perfekte Ausführung der Übung im Fokus, sondern die Teamarbeit. Gibt es beim Obedience Punktabzug, wenn der Hund eine schräge Grundstellung zeigt, so darf diese beim Rally Obedience bis zu 30° schräg ausgeführt werden – ohne Punktabzug. Diejenigen, die diesen Sport selbst noch nie praktiziert haben, behaupten daher gern, dass es eine einfache Sportart ist. Aber auch nur diejenigen.
Ja. Rally Obedience ist in der Bewertung der Ausführungen des Hundes großzügiger. Aber auch strenger zu denen des Menschen. Dreht der Hundeführer beispielsweise in einer 90° Drehung nicht Fuß an Fuß oder macht einen Schritt zu viel zwischen zwei Übungen, bedeutet das Punktabzug.
Echtes Teamwork ist gewünscht
Mensch und Hund sollen als Team gut harmonieren. Viele Hilfen, die in anderen Sportarten verboten sind, sind hier explizit erlaubt und sogar gewünscht. Die Leistungsrichter möchten sehen, dass dem Hund geholfen wird, wenn er beispielsweise durch die Turnier-atmosphäre zu beeindruckt ist und sein sein Erlerntes nicht abrufen kann. Es darf dauerhaft mit dem Hund kommuniziert werden, um ihn zu motivieren. Handzeichen und Führhilfen sind ohne Punktabzug erlaubt. Berührungen allerdings nicht. Hunde, die bei ausbleibender Bestätigung recht schnell die Motivation verlieren, können so angespornt werden und das macht diesen Sport so interessant für jedermann.
Das bedeutet, die, die sich bislang nicht getraut haben, weil ihr Hund vielleicht nicht die nötige Arbeitsbereitschaft mitbringt, finden plötzlich auch im Sport ihren Platz. Und das ist doch schön.„Ich liebe an Rally Obedience den gewollt kameradschaftlichen lieben Umgang zwischen Mensch und Hund“, erklärt Claudia Tinnappel, Leistungsrichterin der ersten Stunde in Deutschland. Durch die Rassevielfalt starten beim Rally Obedience viele Hunde, die durch fehlende Arbeitsmotivation in anderen Sportarten keine Chance hätten. Beim Rally Obedience ist alles möglich, wenn der Hundeführer weiß, wie er seinen Hund motiviert und bei Laune hält.
Konkurrenzdenken Fehlanzeige!
Jedem Besucher eines Rally Obedience Turniers fällt eines sofort auf: Die Gemeinschaft ist füreinander und nicht gegeneinander. Jeder Turnierteilnehmer gönnt seinen Mitstreitern den Sieg und freut sich mit den anderen Hundeführern über einen erfolgreichen Lauf.
Jeder Teilnehmer weiß auch, dass in diesem Sport nicht immer nur einfach zu erziehende Hunde zu finden sind, sondern auch Quereinsteiger, körperlich beeinträchtigte Hunde und welche aus dem Tierschutz starten können. Dieses Gemeinschaftsgefühl ist wirklich einzigartig und erleichtert jedem Hundebesitzer seinen eigenen Einstieg in den Hundesport.
Verschiedene Leistungsklassen
Für eine faire Bewertung gibt es vier Leistungsklassen. In der Beginnerklasse fängt man an. In einem Turnierlauf startet das Team, unabhängig welcher Klasse, immer mit 100 Punkten. Für jeden Fehler im Parcours werden dem Team Punkte abgezogen. Die verbleibende Punktezahl entscheidet dann über den Turniersieg. Beenden zwei Starter punktgleich, siegt die schnellere Zeit der Parcoursbewältigung.
Erreicht ein Team 90 Punkte ist das ein „Vorzüglich“. Das berechtigt zum Start in der nächst höheren Klasse. Den Aufstieg, der immer auch freiwillig ist, erreicht man alternativ auch mit dreimal 70 Punkten. Nach der Beginnerklasse kommen die Leistungsklassen 1 bis 3. Für alle Hunde ab acht Jahren gibt es die Seniorenklasse, in der es weniger Linkswendungen und keine Sprünge gibt, weil ältere Hunde oft gesundheitliche Einschränkungen haben. So kann ein Hund im Rally Obedience lange aktiv geführt werden.
Keine Voraussetzungen notwendig
Da man für den Start auf einem Rally Obedience Turnier aktuell noch keine Vereinszugehörigkeit und keine Eignungsprüfung, wie die Begleithundprüfung benötigt, können auch Privatpersonen starten. Viele Hundeschulen bieten deshalb Rally Obedience Kurse an und öffnen den Hundebesitzern so den Einstieg in den Hundesport. Nach ein wenig Training ist der Start in der Beginnerklasse auf jeden Fall möglich!
Und so mancher Hundeführer hat sich mit dem Virus Hundesport infiziert und später auch den Umstieg in Spezialdisziplinen, wie zum Beispiel Obedience, geschafft.