Lange war gar nicht sicher, ob das Event überhaupt stattfinden wird. Das zerrt an den Nerven aller, die entweder organisieren oder starten wollen. Schon im letzten Jahr gab es keine Deutsche Meisterschaft und die Weltmeisterschaft fiel auch ins Wasser. Doch der kleine Funken Hoffnung, der aufgrund fallender Inzidenzen an Stärke gewann, gab den ehrenamtlichen Helfern rund um die Organisationsleiterin Monika Gutknecht immer Motivation. „Wir machen einfach mal so lange weiter, bis die Absage kommt“. Aber die kam nicht. Stattdessen wurde am 1. Juni beschlossen, dass es eine VDH Deutsche Meisterschaft 2021 im Obedience geben wird. Eine sehr schöne Sportanlage stand bereit, großzügig angelegt mit viel Platz drum herum, so dass sich niemand „zu nahekommen“ musste. Die Zuschauerzahl war stark begrenzt, aber das tat der positiven Stimmung keinen Abbruch. Nur einer war mies gelaunt, zeigte Ungehorsam in der Gruppenübung und musste leider disqualifiziert werden.
Insgesamt waren 42 Teams am Start, die um die sechs Tickets zur FCI Weltmeisterschaft im August in der Schweiz konkurrierten.
Fragt man in die Runde der Teilnehmer, dann war die Vorbereitung auf dieses Event eher schlecht. Die Zweitplatzierte Janina Leick, für die das die erste Deutsche Meisterschaft war, hat nach den Absagen von BSP und den WM-Qualifikationen eigentlich nicht damit gerechnet, dass die Veranstaltung stattfindet. „Dieses Jahr haben wir uns im Grunde bis Mitte Mai null vorbereitet, dann kam der große Stress.“
Auch Heike Ungar fand die Vorbereitung diesmal schwierig, weil alle Prüfungen, die sie vorher noch laufen wollte, abgesagt wurden. "Für mich war es in Gemünden am schwierigsten, die Aufmerksamkeit meines Hundes zu bekommen. Wir sind seit Oktober letzten Jahres keine Prüfung mehr gelaufen und so war er sehr beeindruckt von der Situation."
Schaut man auf das Alter der Hunde im Teilnehmerfeld, dann bemerkt man, dass dies mit durchschnittlich 7 Jahren höher ist als zum Beispiel auf Events im IGP-Bereich. Monika Gutknecht, selbst Leistungsrichterin in diesem Sport und langjähriges Mitglied im Verein für Deutsche Schäferhunde, erklärt mir, dass die Border Collies ganz „anders“ altern und somit auch lange einsatzfähig sind. Außerdem ist natürlich im Obedience auch die körperliche Beanspruchung nicht so hoch wie in anderen Sportarten. Es gibt nur einen Sprung, der dazu noch maximal 70cm hoch ist. Aber mit Corona lässt sich der hohe Durchschnitt auch erklären. „Es gibt einige junge Hunde, die fertig ausgebildet, gute Chancen gehabt hätten, aber schlichtweg keine Prüfung zur Qualifikation haben laufen können, weil nichts stattfinden durfte.“
Die Pandemie bringt viel Unsicherheit in allen Bereichen des Lebens. Monika Gutknecht: „Die Auflagen für die Durchführung der Veranstaltung waren die ganz normalen: Abstand, Maske, keine Siegerehrung und offiziell auch keine Zuschauer. Im sportlichen Teil mit den Apporteln und Geruchshölzchen konnte es eingehalten werden, dass eben niemand anderes diese anfasst, als der Hundeführer und der Steward mit dem Handschuh. Körperkontakt entsteht bei unserem Sport sowieso nie und der Abstand wird automatisch eingehalten. Die Menschen, die drum herumstehen, sind halt Menschen und die stehen einfach in Gruppen zusammen, weil sie soziale Lebewesen sind. Wenn Zuschauer offiziell erlaubt gewesen wären, hätten wir das nicht in den Griff bekommen.“
Der Ringaufbau und die Reihenfolge der Übungen werden von den beiden Hauptstewards geplant und den Richtern zur Genehmigung vorgelegt. Im Ring 1 bewertete Richterin Nadine Hess, die selbst schon Welt- und Vizeweltmeisterin der FMBB war. Die Ansagen kamen von Katja Schick. Damit kein Stau entsteht, hat dieser Ring etwas mehr Zeit in Anspruch genommen.
Folgende Übungen wurde hier abgearbeitet:
- 9: Geruchsidentifizierung
- 4: SITZ, PLATZ und STEH aus der Bewegung
- 6: Senden in die Box
- 3: Freifolge
Im Ring 2 beobachteten dann die Augen von Wolfgang Henle genau die Ausführungen. Die Anweisungen gab Steward Ronald Bacher. Hier zeigte die Teilnehmer die Übungen:
- 8: Pylon-STEH-Richtungsapport mit Sprung
- 5: Abrufen mit Steh und Platz
- 10: Distanzkontrolle STEH-SITZ-STEH-PLATZ-SITZ-PLATZ
- 7: Holzapport mit Richtungsanweisung
Die Variablen der PO wurden vom jeweils zuständigen Richter am Vorabend festgelegt.
Ältester Hund war Inja vom Herrenberger Schloß, die Ende Juli zwölf Jahre wird. Unglaublich. Die läufige Hündin von Wolfgang Wagner startete für den dhv und belegte am Ende einen respektablen 26. Platz. Erwähnenswert ist auf jeden Fall auch noch, dass Inja sogar noch eine Enkelin des legendären Klemm vom Roten Falken ist, der mit Knut Fuchs eine unfassbare Karriere hingelegt hat, die jedem Gebrauchshundesportler eine Gänsehaut vermittelt. Auch Inja war dreimal auf der FMBB Weltmeisterschaft dabei. Ihre wahrscheinlich letzte Meisterschaft beendete sie in Gemünden mit 8,5 Punkten für den Richtungsapport.
Heike Rush führte ein Geburtstagskind. Border Collie Border’s Blackpearl British Joker wurde elf Jahre und beschenkte sich selbst mit einer vorzüglichen Leistung und einem 13. Platz. Beide waren schon dreimal auf der FCI WM dabei.
Heike Ungar, die seit Jahren fester „Bestandteil“ im Teilnehmerfeld ist, hat die meisten Punkte gleich in der ersten Übung „Geruchsunterscheidung“ verloren. Ihr Golden Retriever Limetrees Golden Brave Heart hatte auf seiner dritten VDH DM eigentlich direkt das richtige Holz gefunden. „Auf dem Rückweg zu mir wurde er immer langsamer und unsicherer. Anstatt einfach in die Fußposition zu kommen, hat er das Hölzchen leider vor mir fallen gelassen, es dann wieder aufgehoben und ist unsauber „eingeparkt“. Ein typischer Fall von „das hat er ja noch nie gemacht“. Auch in der Fußarbeit war er gar nicht richtig bei mir, aber dafür waren andere Übungen super gut und je länger wir gelaufen sind, desto freudiger war mein Bub wieder bei der Sache. Also konnte ich nachher wirklich zufrieden sein.“
Am meisten sieht man Border Collies auch in diesem Sport. Die Drittplatzierte Eva Hampe züchtet ihre Teampartner selbst und erklärt mir, warum das so ist: „Border Collies sind für mich der Inbegriff des Arbeitshundes, der durch seine hohe Trainierbarkeit, Intensität, Geschwindigkeit, Konzentrationsfähigkeit und Arbeitsmoral wie für unseren Sport gemacht ist.“ Eva ist ihre erste FCI Obedience Prüfung schon 2006 gelaufen und ist seit 2011 fast jedes Jahr auf der VDH DM am Start. Immer mit selbstgezüchteten Hunden!
Ihre Cocaine (Dumf and Galwy Jubilee) ist mit ihren 8,5 Jahren grundsätzlich sehr sehr sicher in den einzelnen Aufgaben. „Vor der DM hat uns aber der Richtungsapport etwas beschäftigt. In Gemünden kam diese Übung dann als letztes dran und ich habe die etwas ‘unsichere’ Seite gelost. Wie ich zufrieden war? 10 Punkte – da hatte ich nichts zu meckern.“ Die Hündin wird nach 2019 nun das zweite Mal im deutschen WM-Team starten. Im Hinblick darauf nimmt sie aus Prüfungen wie dieser viele kleine Hinweise für das zukünftige Training. „Vieles davon sind Details, die ohnehin derzeit auf dem Trainingsplan stehen, wie noch aktivere Wechsel in der Distanz oder Takt und Losgelassenheit in der Fußarbeit.“ Was mich aber doch ‘geärgert’ hat… ich habe für das Voran vor der Box das falsche Kommando gegeben, zum Glück kennt der Hund die Übung.
Gewonnen hat Shauna Wenzel, die gleich mit zwei Border Collies am Start und schon dreimal auf der FCI WM dabei war. Sie setzte sich mit ihrem jüngeren Hund recht klar durch und wird Welsh Riverdee Mischief Managed das WM-Team 2021 anführen. Auch ihr zweites Eisen im Feuer Ariki o kuri schaffte es in die Top-10. Herzlichen Glückwunsch.
Die Zweitplatzierte Janina Leick führte den jüngsten Hund der Veranstaltung. Die 28-jährige Saarländerin ist noch relativ „neu“ in der Szene und resümiert nach ihrem Erfolg auf die Frage, welche die schwerste Übung für sie und Nature mind come by Ace ist: „Die Fußarbeit, weil wir uns damit persönlich einfach total schwer tun, uns zu finden. Dort haben wir auch die geringste Punktzahl erreicht.“ Beide erreichten 289 Punkte und starten direkt zur WM durch.
Für den Zuschauer ist es natürlich aber auch schön, wenn mal andere „Gesichter“ den Platz betreten. In Gemünden waren u.a. Malinois, Aussie, Airedale Terrier, Deutsch Drahthaar und Mischlinge dabei. Letztere können zwar den VDH-Titel gewinnen, aber nicht weiter zur FCI WM reisen. Dort sind nur Rassehunde startberechtigt.
Heike Ungar führt immer Golden Retriever und ich fragte sie, warum. „Golden Retriever berühren mein Herz mit ihrer ganz besonderen Art. Sie wollen mir gefallen, lernen gerne etwas neues und sind für fast alles zu haben. Gleichzeitig sind sie mega entspannt mit anderen Hunden, egal wie aggressiv die sich verhalten. Im Alltag sind sie absolute Verlasshunde. Wenn ich ihnen etwas neues beibringe, sind sie mit Begeisterung dabei. Sie sind intelligent, haben Spaß an der Arbeit mit mir, können aber auch gut entspannen, wenn mal nichts los ist.“
Dem Zuschauer fällt auf, dass das gerechte Bewerten aller Teilnehmer eine Herausforderung ist. Jede Rasse hat ihre typischen Eigenschaften und ein Golden Retriever arbeitet nun mal anders als ein Border Collie, ein Deutsch Drahthaar oder ein Malinois.
Monika Gutknecht erklärt mir dazu, dass die Richter rassebedingt richten. D.h. ein Hund, der mäßig im Tempo aber stabil seine Übung ausführt, kann genauso 10 Punkte bekommen, wie ein schneller Hund, der das zack-zack macht. Heike fühlt sich durch diese Richtweise auch nicht benachteiligt in ihrem Sport. „Der Golden Retriever ist durch seine Größe und seinen Körperbau nicht so wendig und spritzig wie der Border. Sie können natürlicherweise auch nicht so schnell stoppen. Das ist allein durch ihr Gewicht schon nicht so möglich. Da viele Richter aber sehr bemüht sind, rassetypisch zu richten, ist das in vielen Prüfungen kein großes Problem.“
Es war eigentlich ein sehr harmonisches Wochenende und Monika Gutknecht „würde die Veranstaltung erneut übernehmen, wenn die Helfer aus dem Verein wieder zur Verfügung stehen würden.“
Auch aus den Reihen der Teilnehmer hört man Lob, wie beispielsweise das von Heike Ungar: „Die Veranstalter in Gemünden waren großartig, super lieb, freundlich und sehr bemüht, aus der schwierigen Situation das Beste zu machen. Ich habe mich sehr wohl gefühlt.“ Das hört sich doch alles gut an und dem kann ich mich auch nur anschließen!
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Sporthund gratuliert allen Teilnehmern und drückt den sechs Erstplatzierten auf der WM die Daumen!
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