Ausbildung zum einsatzfähigen Rettungshund

 

Die Ausbildung zum einsatzfähigen Rettungshund ist anspruchsvoll und sehr zeitaufwändig.

 

Ein eiskalter Wind zieht über die Trümmer. Menschen weinen, andere hoffen noch. Rettungskräfte bringen schweres Gerät zum Einsatzort und bereiten sich auf die Bergung vor. Von all dem lässt sich der Hund oben auf dem Berg aus Stahl und Beton nicht ablenken. Er macht zuverlässig seinen Job, bewegt sich geschickt durch die Trümmer und sucht hochkonzentriert nach Überlebenden.

Mit solchen Bildern werden wir zurzeit täglich konfrontiert. Und mal ehrlich… Die allermeisten Zuschauer sehen das als „selbstverständlich“ an. Wie viel Arbeit und Zeitaufwand jedoch dahintersteckt, bis sowohl Mensch als auch Hund entsprechend ausgebildet sind, wissen nur die wenigsten. Und was auch vielen nicht klar ist: 

„Rettungshundearbeit ist in Deutschland ausschließlich ehrenamtlich!“

 

So erklärt es mir Amrei Oellermann, die selbst zwei geprüfte und einsatzfähige weiße Schäferhunde führt und einen anderthalbjährigen X-Herder in der Ausbildung hat. Sie ist mit ihren Hunden Teil einer Rettungshundestaffel der Feuerwehr und auf Flächen- und Trümmersuche spezialisiert.

Trümmersuche ist auch für die Retter gefährlichMuss man sich auf einen oder zwei Bereiche spezialisieren?

Amrei Oellermann: Man sollte es. Fläche und Trümmer funktionieren ganz gut zusammen. Der Hund sucht in beiden Fällen über Hochwitterung pauschal nach Menschen, also ausnahmslos jeder Mensch im Suchgebiet soll angezeigt werden. Beim Mantrailing ist das anders. Da nimmt der Hund, meist an einem Kleidungsstück, den Individualgeruch eines Menschen auf und folgt dann der Spur dieser einen Person. Die Art der Suche ist also sehr unterschiedlich.

 

Ist es dann auch kontraproduktiv, mit einem Fährtenhund gleichzeitig Mantrailing zu trainieren?

Amrei Oellermann: Wenn man Mantrailing macht, wird man bei der Fährtenarbeit nicht glücklich. Der Fährtenhund soll so exakt wie möglich der Bodenverletzung folgen, die der Fährtenleger im Gelände hinterlassen hat. Der Mantrailer sucht, wie gesagt, nach dem Individualgeruch. Das macht er anhand von winzigen Hautschuppen, die wir ständig verlieren. Die befinden sich aber nicht unbedingt auf der Fährte, sondern da, wo der Wind sie hin geweht hat. Das kann durchaus um etliche Meter versetzt zu dem sein, wo die Person tatsächlich gegangen ist.

 

Wann beginnst du mit der Ausbildung deiner Hunde?

Amrei Oellermann: Schon im Welpenalter. Wenn sie zehn bis zwölf Wochen alt sind, kann man schon mit ein paar Basics beginnen. Natürlich alles dem Alter angepasst. Sie können auch schon mal auf Trümmern gehen. Die Schulung der Motorik ist sehr wichtig für einen Rettungshund.

Die erste Prüfung kann man je nach Verband ab einem Alter von 18 bis 24 Monaten absolvieren. Das passt ganz gut, denn man braucht in der Regel schon so zwei Jahre Ausbildungszeit bis zum geprüften Hund im Bereich Fläche und Trümmer. Bei den Mantrailern dauert es etwas länger.

 

Und wie läuft so eine Prüfung ab?

Amrei Oellermann: Bei der Prüfung muss der Hund eine ca. 30.000 Quadratmeter große Fläche absuchen. Dabei muss er, je nach Verband, ein bis vier versteckte Personen finden und anzeigen. Manche Verbände fordern bei der Prüfung auch noch eine Unterordnungsarbeit.

Bei der Trümmerprüfung läuft es im Prinzip genauso. Die Personen sind im Trümmerfeld so versteckt, dass der Hund nicht an sie rankommt – also wie bei einer verschütteten Person. Da soll er den Punkt anzeigen, wo die meiste Witterung rauskommt.

Als Hundeführer weiß man nicht, wie viele Personen versteckt wurden. Wenn dein Hund nichts mehr findet, muss man sich in der Prüfung – wie im richtigen Einsatz – festlegen: Hier bin ich jetzt fertig. Da ist niemand mehr.

 

TeamarbeitWelche Eigenschaften muss ein Hund mitbringen, um ein guter Rettungshund zu werden?

Amrei Oellermann: Der Hund muss natürlich gesund sein. Er sollte gerne mit seinem Menschen zusammenarbeiten, also eine gute Arbeits- und Kooperationsbereitschaft haben. Er braucht gute Nerven und eine hohe Frustrationstoleranz. Im Einsatz wird in der Regel eine Person vermisst. Es sind aber zwischen zehn und 20 Rettungshunde im Einsatz und maximal einer von ihnen kann die vermisste Person finden. Ein guter Rettungshund braucht „Suchpassion“, denn er muss seine Motivation über einen langen Zeitraum hochhalten können. Er muss Freude an der Suche an sich haben.

  

Und welche der Hundeführer?

Amrei Oellermann: Auf jeden Fall viel Zeit! Denn es ist gigantisch zeitaufwendig, wenn man für Einsätze trainiert und daran teilnimmt. Einsätze sind auch häufig nachts um halb drei, bei Schneeregen und überfrierender Nässe. Wir gehen in Suchgebiete, die nur schwer zugänglich sind, weil sie z.B. hoch mit Brombeeren zugewachsen sind oder weil Steilhänge überwunden werden müssen. Es braucht also eine gewisse körperliche Fitness. Auch psychische Belastbarkeit ist wichtig. Wir kommen im Einsatz immer wieder in Situationen, die nicht schön sind. Und nicht jeder Einsatz geht gut aus. Teamfähigkeit ist auch sehr wichtig. Im Einsatz geht es nie um den Einzelnen, der Erfolg kommt immer im Team!

  

Airedale Terrier im TrainingWie sieht ein klassischer Einsatz in Deutschland aus?

Amrei Oellermann: Der Klassiker ist eine Flächensuche. Wir haben eine vermisste Person, die in einem meist weitläufigen, häufig schlecht zugänglichen Gebiet vermutet wird. Das kann die Oma aus dem Altenheim sein, die sich verlaufen hat. Häufig sind es auch Kinder. Es können aber auch Menschen sein, die im Schock vom Unfallort weggelaufen sind oder Freizeitsportler, bei denen das Pferd allein nach Hause gekommen ist. Wir hatten auch schon mal einen Mountainbiker. Der war gestürzt und konnte übers Handy Hilfe rufen, wusste aber nicht, wo er sich genau befand.

  

Kann man Rettungshundearbeit auch als Hundesport betreiben?

Amrei Oellermann: Das kann man auch. Man kann verschiedene Prüfungen nach der Prüfungsordnung der Internationalen Rettungshundeorganisation (IRO) machen und auch an Meisterschaften teilnehmen. Im SV gibt es zum Beispiel eine Bundessiegerprüfung für Spezialhunde. Insgesamt habe ich den Eindruck, dass immer mehr SV und DVG Vereine Rettungshundesport anbieten. Die Leute interessieren sich dafür und für die Vereine ist es eine Möglichkeit, um neue Mitglieder zu gewinnen.

 

Kann man auch Schutzhundesport und Rettungshundearbeit machen? Oder schließt sich das aus?

Amrei Oellermann: Wenn die Hunde vernünftig und sauber ausgebildet wurden, kann man das gut kombinieren. Die Hunde bringen schon viel mit. Die können schon revieren, können stellen und verbellen. Man muss ihnen dann nur noch erklären, dass die Komponente Beißen bei uns wegfällt. Aber das ist in der Regel kein Problem. Ich habe einen Kollegen mit einem Deutschen Schäferhund, der aus dem IGP-Bereich kam. Der hat es geschafft, in acht Monaten seinen Hund von null auf einsatzfähiger Rettungshund auszubilden.

 

Man sieht immer mal Bilder, wo sich Hund und Hundeführer gemeinsam abseilen. Kommt das auch in einer Rettungshundeprüfung vor?

Amrei Oellermann: Nein, das trainieren wir separat. Zum Beispiel mit der Bergwacht oder der Höhenrettung. Tatsächlich wird es in Einsätzen eher selten gebraucht. Aber es wird auch gerne für die Teambildung zwischen Mensch und Hund gemacht. Wir gewöhnen unsere Hunde an sehr viele Situationen. Zum Beispiel an den Transport mit Booten. Oder dass sie problemlos auf einem Quad mitfahren. Wenn das Einsatzgebiet mit dem Auto nicht erreichbar ist, dann fährt der Hund halt auf dem Quad mit.

Auch das Fliegen mit Hubschraubern trainieren wir. Die Hunde müssen lernen, wie man sich dabei verhält. Insbesondere wenn Hubschrauber in ihrer Nähe starten oder landen. Die machen nämlich krass viel Wind. Die erste Reaktion der meisten Hunde ist: Ich will hier weg! Der Hund muss im Einsatz aber trotzdem liegenbleiben und nachdem der Hubschrauber gelandet ist unter Umständen noch in das „Monstrum“ einsteigen und mitfliegen.

 

Auch nach einem Brand sind die Helfer vor OrtEinen gut ausgebildeten Rettungshund kann also nichts mehr erschüttern!?

Amrei Oellermann: Ich sag immer: „Unsere Hunde sind Kummer gewöhnt“. Und das ist sehr wichtig. Im Einsatz ist es oft stressig und es passiert irgendwas Ungewohntes. Je mehr der Hund an Ablenkungen und Belastungen kennt, desto weniger beeindruckt ihn das. Und wir wollen, dass – egal was passiert – der Hund im Einsatz seinen Job macht. Wenn der aber nervlich schon durch ist, wenn er am Einsatzort ankommt, dann funktioniert das nicht. Deshalb lernen unsere Hunde sehr, sehr viel kennen und das zahlt sich im Einsatz dann aus.

 

Jetzt ist mir auch der enorme Zeitaufwand noch mal klarer. Man muss schon mit viel Herzblut dabei sein, damit man das durchzieht!?

Amrei Oellermann: Das muss man auf jeden Fall. Der enorme Zeitaufwand wird auch oft unterschätzt. Oft fangen Neueinsteiger voll motiviert an, aber nach einiger Zeit merken sie, dass sie das nicht leisten können. Wenn man es für den Einsatz macht, dann geht nur ganz oder gar nicht!

 

Rettungshundearbeit ist faszinierend, anspruchsvoll, eine Herausforderung für Mensch und Hund. Was Rettungshundeführer in ihrer Freizeit für diese Gesellschaft leisten, ist unbezahlbar. Unsere Hochachtung haben sie mehr als verdient. Vielen Dank für euer Engagement und vielen Dank an Amrei Oellermann für das Interview.

 

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