Darum haben wir Angst vor Veränderung

Die neue Tierschutz-Hundeverordnung und der Schutzhundesport

Ein wenig könnte man den Eindruck gewinnen, im Januar 2022 hätte sich ein apokalyptischer Reiter auf das deutsche Hundewesen hinabgestürzt – und ganz besonders auf die nun angstvoll wankenden Reihen der Schutzhunde:

Die neue Tierschutz-Hundeverordnung tritt diesen Monat in Kraft!

In den sozialen Medien bricht sich lange angestaute Besorgnis Bahn; gipfelnd in den Zeitungsberichten über vorläufig außer Dienst gestellten Polizeihunden (1), (2). Zuvor schon sickerten von verschiedenen Dienststellen Mutmaßungen über das „Ende des Diensthundewesens“ durch – alles nur wegen ein paar konkretisierenden Sätzen in einer Verordnung, die explizit dem Schutz der Tiere gilt und was wir als verantwortungsbewusste Hundefreunde eher begrüßen sollten?

Doch: Wenn es die „Profis“ der Gebrauchshundeführer schon so hart beutelt, wie ist es dann erst um den Hobby- und Vereinssport bestellt? Sollten sich die düsteren Vorahnungen tatsächlich bewahrheiten: Deutschland schafft – durch die Hintertür – den Schutzhundesport ab?

Es lohnt sich, diese Besorgnis näher zu betrachten: schließlich erwartet uns dadurch eine für manche erhebliche Veränderung. Müssen wir davor Angst haben?

 

Methatesiophobie nennt sich das

Aus dem umständlichen Fachjargon übersetzt: „Angst vor Veränderung“. 

„Wir machen es uns in Gewohnheiten, Routinen und bekannten Dingen gemütlich, Veränderungen dieser Komfortzone begegnen wir mit Zweifeln, Argwohn und eben Angst“, schreibt der Autor Jochen Mai in seinem Blog. (3)

Gebrauchshundesport und ein positives Image

Besonders unangenehm sind Veränderungen, die uns aufgezwungen werden: ein freiwilliger Verzicht auf bestimmte Trainingspraktiken zum Beispiel wird eher als Herausforderung wahrgenommen. Natürlich begegnen wir auch hier Hindernissen und Selbstzweifeln, denn oft müssen wir umlernen, unsere Denkweise verändern. Manchmal sogar unsere Wahrnehmung von Situationen. Diese Schwierigkeiten werden jedoch weniger als eine Belastung angesehen: wir haben uns schließlich vorab dafür entschieden und können nun unsere Erfahrungen und Fähigkeiten für das Gelingen einsetzen.

Mit einer ungewollten und stellenweise auch unerwünschten Veränderung konfrontiert zu werden löst jedoch Unbehagen aus – bis zur Angst. Völlig verständlich. Zum einen konnten wir nicht selbst bestimmten, ob wir uns „bereit“ fühlen. Wir konnten auch nicht den Umfang oder das Tempo so gestalten, dass wir mit einem stabilen „Plan“ loslegen. Und vielleicht haben wir uns in unserer Komfortzone auch einfach sehr wohl gefühlt, weil es für uns funktioniert hat?

Wir alle haben schon negative Erfahrungen mit Veränderungen gesammelt (vor allem, dass sie sehr anstrengend sein können!) und wenn es dabei sogar unseren Beruf betrifft, kann das natürlich Existenzängste befeuern. Abwehr und Widerstand sind zunächst also menschlich normale Reaktionen auf solch eine Bedrohung. Wir dürfen und sollen sogar zu unseren Ängsten stehen – Verleugnung hilft nämlich herzlich wenig bei der Bewältigung.

In der Veränderungspsychologie werden konkrete Phasen genannt, wie wir uns mit gravierenden Neuerungen auseinandersetzen (4): 

  1. Schock
  2. Verneinung
  3. Einsicht
  4. Akzeptanz
  5. Ausprobieren
  6. Erkenntnis
  7. Integration

 

Die Einsicht, mit unserer trotzigen Abwehr den Veränderungsprozess nicht aufhalten zu können, schmerzt meist am heftigsten. Wir befinden uns regelrecht auf dem Tiefpunkt einer Krise. Kognitiv haben wir begriffen, dass das Geschehen auch so eintreten wird und vielleicht sogar notwendig war – aber emotional ist es weiterhin mit starken Ängsten verknüpft. 

Und hier liegt auch die größte Chance, kompetenter und versierter aus dieser Krise herauszusteigen.

 

Die harte Realität:

Bislang galt in Deutschland lediglich ein konkretes Verbot für Stromreizgeräte. Hand aufs Herz: wie oft haben wir mit gerümpfter Nase auf unsere europäischen Nachbarn geschaut, die den mehr oder minder sachgemäßen Gebrauch noch erlaubten? Uns Erhaben gefühlt mit unserem „harten“ Tierschutzgesetz, welches sich bei näherem Hinsehen als äußerst dehnbar gestaltete?

In den Niederlanden wurde das „Stachelhalsband“ bereits mit Wirkung zum 1. Juli 2018 verboten (5), in Österreich und in der Schweiz existiert dieses Verbot bereits sehr viel länger. Auch Belgien schloss sich an und etliche Vereine in Deutschland verzichten freiwillig schon seit Jahren. Hundetrainer mit der Erlaubnis nach §11 mussten diese Klausel sogar verbindlich für ihren Berufsalltag unterschreiben. In unseren Nachbarländern werden weiterhin Polizeihunde ausgebildet und eingesetzt, auch der Schutzhundesport in verschiedenen Ausrichtungen erfreut sich Beliebtheit. Ganz so dystropisch sieht die Zukunft im Jahre 0 „nach Verbot des Stachelhalsbandes“ also nicht aus. Auch wenn es Konsequenzen nach sich zieht und wir natürlich einen Weg finden müssen, mit diesen Veränderungen umzugehen. 

 

Darum dreht es sich:

§ 2 Absatz 5 TierSchHuV

„Es ist verboten, bei der Ausbildung, bei der Erziehung oder beim Training von Hunden Stachelhalsbänder oder andere für die Hunde schmerzhafte Mittel zu verwenden.“

Die Begründung im Beschluss des Bundesrates vom 25.06.2021 lautet wie folgt:

„Wissenschaftliche Erkenntnisse zu Erziehungsmethoden von Hunden beurteilen die Anwendung von Strafreizen zur Erziehung von Hunden als nicht tierschutzkonform. Insofern ist die Verwendung von Stachelhalsbändern oder anderen für die Hunde schmerzhaften Mitteln als tierschutzwidrig zu verbieten.“

Was ein großes Problem der sozialen Medien darstellt sind die vielen, teilweise absurden Fehlinterpretationen. Diese schüren unnötige Ängste, fördern Missverständnisse und verhindern eine konstruktive Auseinandersetzung.

Das Tierschutzgesetz als solches ist nicht geändert worden – lediglich eine Verordnung die Hundehaltung betreffend. Und eine Begründung für einen Beschluss ist zum einen kein eigenständiges Gesetz, sondern ein Verwaltungsakt nach § 108 VwGO und erklärt vorschriftsmäßig ( § 39 Absatz 1 VwVfG ) die Urteilsfindung. Selbstverständlich kann eine Revision angestrebt werden, wenn hier „Widersprüche oder Lücken“ nachgewiesen werden. Das ist die Aufgabe von Juristen und Wissenschaftlern. 

Die bedeutsame Sorge, aufgrund den sehr verwaschen gefassten Formulierungen in dieser Begründung in Zukunft bei jeglicher Form von Konflikten mit unseren vierbeinigen Begleitern eine Klage am Hals zu haben, ist natürlich nicht völlig unrealistisch. (6) Es gibt Mitmenschen, die diese Restriktion im Umgang aufgrund persönlicher Weltansicht anstreben und dabei auch weit über das Ziel hinausschießen. Diese Einstellung hat jedoch wenig mit dem nun eben verbotenen Stachelhalsband zu tun.

Hundesport ohne HalsbandDas beste Lehrstück schreibt das Leben selbst!

Was im ersten Moment zynisch klingen mag, hat sich auch in diesem Fall bewahrheitet: Es wird nichts so heiß gegessen, wie es gekocht wurde. Auch hier behält die wissenschaftliche Betrachtung der „Methatesiophobie“ Recht und ließ uns einem nahezu lehrbuchhaften Verlauf in den ersten beiden Januarwochen beiwohnen. Unlängst haben Polizeigewerkschaft, Verbände für professionelle Hundetrainer und entsprechende Stellen der Sicherheitsorgane reagiert. Die unterschiedlichen Strategien lassen erahnen, wie angreifbar sich dieser Beschluss auf fachlicher Ebene darstellt. Von der triumphalen Auslöschung des Schutzhundesports sowie einem vernichtenden Schlag gegen das Diensthundewesen plötzlich keine Spur mehr!

Statt uns in Zukunft von dieser „Angst vor Veränderung“ lähmen zu lassen, sollten wir besser an fairen und den Persönlichkeiten unserer Hunde entsprechenden Trainingsmethoden arbeiten. Die trotzige Argumentation, ohne explizit Schmerzreize nicht ausbilden zu können, stellt eher Wasser auf die Mühlen derer da, die ohnehin nicht zwischen unnötigen Schmerzen und dem lerntheoretischen Konzept der positiven Strafe unterscheiden können. Für die angebliche Tierschutzrelevanz jeglicher „Strafreize“ existieren bei näherer Betrachtung nämlich keinerlei wissenschaftliche Beweise. Das hat auch der Bundesrat mittlerweile bemerkt. Und modernes Training im Schutzhundesport erfüllt die Kriterien für tierschutzgerechtes Arbeiten schon längst. Auch ganz ohne Stachelhalsband

 

„Das Leben gehört den Lebendigen an, und wer lebt, muss auf Wechsel gefasst sein.“

Wilhelm Meisters Wanderjahre; Johann Wolfgang von Goethe

 

 

Quellen:

  • (1)   https://www.morgenpost.de/berlin/article234236503/Bericht-Polizei-darf-viele-Diensthunde-nicht-mehr-einsetzen.html
  • (2)   https://www.bz-berlin.de/berlin/zwangsurlaub-fuer-polizeihunde
  • (3)   https://karrierebibel.de/angst-vor-veraenderung/
  • (4)   „Fit for Leadership“ (R. Streich, 2016, SpringerLink)
  • (5)   http://wetten.overheid.nl/BWBR0035217/2018-07-01

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