Was der amerikanische Bildhauer Horatio Greenough 1852 erstmalig formulierte, wird im Jahre 2021 besonders dann aktuell, wenn es um eines unserer Lieblingshobbies geht: Hundesport! Doch was hat das mit Architektur und bildschaffende Künste zu tun?
Ziemlich viel sogar! Denn Sport kommt selten ohne (mehr oder minder lustvolle) Bewegung daher und für Bewegung bedarf es physikalischer Grundlagen. Beim Hund sogar mal vier – denn jedes Pfotenpaar trägt in unterschiedlichem Umfang das Körpergewicht!
Die Zeiten, in denen der Schäferhund Schutzhundesport, der Retriever apportiert und der Schlittenhund Zugarbeit verrichtete, sind lange vorbei. Heute machen Border Collie Gebrauchshundesport und starten sogar schon auf höchster FCI-Ebene, Deutsche Doggen nehmen an Deutschen Meisterschaften in der Fährtensuche teil und schlagen sogar Malinois und Schäferhund. Heutzutage gibt es kaum noch Tabus und Grenzen: Jeder kann alles – oder doch nicht?
Evolutionär gesehen sind diese fünfzehn, zwanzig Jahre der Vielfalt keine besonders lange Zeitspanne. Das bedeutet, der Querschnitt unserer sportlich aktiven Haushunde hatte kaum Chancen, sich auf solch eine breite Palette meist körperlicher Herausforderungen einzustellen. Das ist nicht weiter schlimm – als ausgesprochene Bewegungsjäger und sozial motivierte Beutegreifer sind Hunde körperlich und geistig sehr anpassungsfähig. Allerdings hat der Mensch hier über tausende von Jahren gezielt in die Evolution eingegriffen und diese Bandbreite durch züchterische Spezialisierung merkbar geschmälert. Das sollten wir im Hinterkopf behalten, wenn unser Schäferhund plötzlich Agility macht, der Retriever Schlitten zieht und der Border Collie in den Hetzarm beißt!
Die Tierärztin Anette Quandt veröffentlichte 2014 in einem team.konkret-Artikel („Hundetraining aus tiermedizinischer Sicht“) eine Übersicht sportarttypischer Verletzungen für den Bewegungsapparat. Auch die chiropraktisch ausgebildete Tierärztin Johanna Reinhardt spricht in „Chiropraktik beim Hund“ (Sonntag Verlag, Ganzheitliche Tiermedizin 2015) von spartenspezifisch „teilweise hohen und/oder einseitigen körperlichen Belastungen“.
Sport auch in hohem Alter, bei gesundheitlichen Handicaps und für nahezu jede Rasse wird dabei deutlich bejaht – aber nicht jede Sportart ist für jeden Hund geeignet!
Wir müssen als zweibeiniger „Sportcoach“ also nicht nur über Motivation und geistige Belastung unseres Hundes nachdenken. Besondere Aufmerksamkeit gilt dem Körperbau – denn eine „typische Spartenrasse“ hat sich durch physiologische Anpassung vor vielen Verletzungen und Überbelastungen gewappnet – unserem Exoten fehlt dies.
Der Windhund macht auf der Bahn oder beim Coursing eine phantastische Figur – aber was passiert, wenn das grazile Wesen plötzlich mit nasser Kälte oder schwerer körperlicher Belastung konfrontiert wird? Eine brachycephale Rasse benötigt besondere Aufmerksamkeit bei höherer Kreislaufbelastung und der Gefahr von Überhitzung – und was passiert mit der Kiefermuskulatur, wenn Apportieren oder wie im Schutzhundesport festes Zupacken und Halten gefordert wird, obwohl das Gebiss nicht schließen kann? Sind unsere agilen Schäferhunde beweglich und balanciert genug für Dogfrisbee? Kann der gedrungene Welsh-Corgi mit seinem langen Rücken dauerhaft im Agility gesund bleiben? Exoten im Hundesport vermehren sich. Das ist schön.
Es gibt für viele Handicaps ganz individuelle Lösungen und jedes Individuum kann sich durch sorgfältige Vorbereitung und „Köpfchen“ beim Aufbau gut wappnen – aber unsere Vorstellungen und unser Ehrgeiz darf hier niemals mit den realistischen Grenzen kollidieren. Dieser evolutionäre „Puffer“ der Spezialisierung fehlt unserem Exoten. Behalten wir das im Blick, ist die Bahn frei.