Motivation ist überall. Ob intrinsisch oder extrinsisch: Sie ist die Energiequelle dafür, Fortschritte zu machen, Ziele zu erreichen und Bedürfnisse zu befriedigen.
Da steht sie: die Wippe. Tina, Tom und Trude sitzen davor. Sie freuen sich mehr oder weniger über die heutige Trainingseinheit, denn heute wird sie –die Wippe- nach tagelangem Kennenlernen, das erste Mal in einer Kombination stehen. Mit dem Tunnel. Tom liebt den Tunnel. Mehr als alles andere auf der Welt, könnte man meinen. Naja, in der Agilitywelt. Die Wippe müsste es aus seiner Sicht nicht im Parcours geben, aber wenn er nach deren überwinden anschließend durch den Tunnel darf, motiviert ihn das. Tina liebt die Wippe. Dieses wackelige Ding, das ihr immer das Gefühl gibt, dass sie fliegen kann. Und sie beherrscht es und möchte immer wieder drauf. Bei den meisten ihrer Agilityfreunde ist das eher nicht so. Auch Trude mag das Ding überhaupt nicht. Sie hat Bammel, findet es eher unangenehm. Dieses wackelige Ding.
Die Wippe fordert Entschlossenheit damit es schnell geht, schließlich zählt am Ende die Zeit. Es braucht ein gutes Körpergefühl beim Überwinden, denn das Ding ist nur 30 cm breit, da kann man leicht mal danebentreten. Und schließlich braucht man auch Beherrschung oder wie man es heute wissenschaftlich ausdrückt: Impulskontrolle. Die Wippe gehört ja zu den Kontaktzonengeräten. Ein „running“ ist auf ihr aber nicht möglich, denn sie muss vor dem Verlassen vollständig gekippt sein, muss den Boden berühren, bevor der Hund weiter darf. Schwierig. Nicht für Tina, aber für die anderen zwei. Impulskontrolle ist nicht so Toms Stärke. Und schon gar nicht, wenn dahinter der Tunnel steht. Trude fehlt die Entschlossenheit.
Trotzdem: Alle drei werden später auf Turnieren erfolgreich „um die Wette“ laufen, auch wenn ihre Ausbildungswege aufgrund ihrer Charaktere etwas unterschiedlich waren.
Denn das Wichtigste in der Hundeausbildung ist Motivation. Hast du einen Drachen, aber keinen Wind, wird dieser nicht steigen. Ist der Wind zu stark, wird die Kontrolle schwer.
Aber welche Formen der Motivation gibt es denn und wie ist das bei Tina,
Tom und Trude?
Tina hat eine Leidenschaft für die Wippe. Sie ist primär motiviert. Ihre Belohnung ist das Tun selbst, also wenn sie auf die Wippe darf. Sie steigt auch schon mal drauf, wenn sie gar nicht muss oder soll. Mit der Impulskontrolle an den Zonen hat sie keine Probleme, weil sie ja nicht auf das „Danach“ scharf ist. Die Wippe selbst ist das Ziel ihrer Handlung.
Das ist bei Tom anders. Er ist scharf auf den Tunnel. Der ist sein eigentliches Ziel. Die Wippe ist nur der Weg dahin. Tom ist sekundär motiviert. Der Tunnel ist sein positiver Verstärker. Nach dem Prinzip „machst-du-kriegst-du-oder-darfst-du“ hat er mit dem Gerät an sich kein Problem. Alles gut? Fast, denn da er möglichst schnell zu seiner Belohnung will, ist er oft übermotiviert und zeigt Zonenfehler.
Eigenmotiviert wird Trude auf der Wippe nie sein. Sie hat Glück, dass der Hundesport sich inzwischen so weit entwickelt hat, dass Meidemotiva-tion (negativer Verstärker) in der Ausbildung nur noch eine Nebenrolle spielt. Meidemotiviert würde bedeuten, dass Trude aus Angst vor einer Strafe oder etwas Unangenehmen die Wippe überwindet.
Die lange Zeit hartnäckige Meinung, gute Leistungen könne man nur mit Druck erreichen, verblasste mit der Entwicklung der Funsportarten und dem Öffnen des Hundesports für Nicht-Gebrauchshunderassen zunehmend.
Da Trude gern frisst, hat man ihr im Aufbau Futter als Belohnung angeboten und ihr etwas mehr Zeit gegeben. Ihre Art der Motivation ist also eine Mischung aus positivem und negativem Verstärker. Hunger (negativ) ist unangenehm und verschwindet, wenn man nach dem Überwinden der Wippe Futter (positiv) bekommt.
"Ist unsere Motivation stark und heilsam, können wir alles vollbringen."
Dalai Lama
Trude kennt den Dalai Lama nicht, aber er hat wohl recht. Denn da Hunger ja bekanntlich sehr motivierend ist, hat sie jetzt, vor der Wippe sitzend, nur noch ein mulmiges Gefühl.
Für Tom wäre zumindest im Lernprozess sicher eine andere Motivationsform geeigneter. Der Tunnel ist zu „starker Wind“. „Trieb macht doof“ heißt es dann oft auf den Hundeplätzen. Jeder dort weiß, wie Hunde sich dann oft selbst im Weg stehen.Trotzdem: Lieber übermotiviert, als gar nicht motiviert.
Leidenschaft ist die Quelle für Motivation. Ist man motiviert, macht man alles viel engagierter und besser, als man es tun müsste. Das ist bei Tina, Tom und Trude auch nicht anders.
Am leichtesten geht die Ausbildung von Tina. Primär motivierte Hunde sind immer mit Freude dabei. Das macht sie auch zuverlässig.
Außerhalb der Funsportarten, wie Agility, Flyball und Dogfrisbee, allesamt selbstbelohnend in der Ausführung, spielt diese Art der Motivation eine besondere Rolle. In der IGP- und Mondioring-Unterordnung, im Obedience oder beispielsweise im Dogdance-Freestyle müssen die Hunde über einen längeren Zeitraum ohne Belohnungen auskommen. Hunde, die also auf Verstärker nicht angewiesen sind, werden in der Gesamtheit immer beständiger und zuverlässiger arbeiten.
Warum ist das so?
Weil Hunde Egoisten sind. Es sollte klar sein, dass Hunde nicht etwas tun, um uns Menschen zu gefallen. Sie tun nichts für uns, sondern nur für sich selbst. Ihre Beweggründe sind dabei gar nicht so weit von den Unsrigen entfernt. Nahrung, gemeinsames Spiel, positive Zuwendung in Form von Körperkontakt oder Lob – eines oder alle motivieren zur Handlungsbereitschaft.
Bei primär motivierten Hunden ist das die Freude am Tun. Perfekt.
Auch wir Menschen gehen ja nicht täglich zur Arbeit, um dem Chef zu gefallen. Wir arbeiten für unser Gehalt, auch mal aus Leidenschaft, für viel Spaß oder zur Befriedigung unserer Grundbedürfnisse.
Lohnt sich etwas, wiederholt man Verhalten. Lohnt sich etwas nicht, stellt man es ein.
So „sehen“ das auch Tina, Tom und Trude.
Fotos: Constanze Rähse (Sporthund)
Positive Zusammenarbeit
Super zusammen gefasst!
Zum Glück ist die Meidemotivation inzwischen fast überall verschwunden. Mit einer positiven Motivation macht es doch für den Hund und d. Hundeführer/in viel mehr Spaß zusammen zu arbeiten.