Von wegen Tonnenhüpfen...
Das, was in den 70er Jahren als Breitensport mit Hund begonnen hat, hat sich inzwischen zu einer Sportart entwickelt, bei der man heute zu Recht über Leichtathletik mit dem Hund spricht. Bei den Geländeläufen orientiert man sich am Canicross. Das heißt die Hunde laufen nicht wie früher am Halsband mit, sondern die Läufer tragen Bauchgurt und sind mit einer Jöringleine mit ihrem Hund verbunden. Der trägt ein spezielles Zuggeschirr und macht vorne ordentlich Tempo. Auch in der Unterordnung hat sich viel getan. „Da sieht man inzwischen richtig großartige Leistungen“, erzählt Pia Schmalzbauer, die zu den erfolgreichsten THSlern in Deutschland gehört. Auch die Hürden-, Slalom- und Hindernisläufe, die neben der Unterordnung den Vierkampf komplettieren, muss man schon mit null Fehlern und guter Zeit absolvieren, wenn man auf Wettkämpfen vorne dabei sein möchte.
Da kam der Sporthund Praxistreff beim SGV Velden am vergangenen Wochenende den 26 Teilnehmern gerade recht. Sie nutzten die Gelegenheit, an einem 2,5 Tage Workshop mit Pia Schmalzbauer und Renzo Cappello ihre Fähigkeiten zu verbessern. Im THS muss man die beiden niemandem vorstellen. Für alle anderen: Sie haben beide mehrfach, sowohl bei der VDH, als auch bei der dhv Deutschen Meisterschaft im THS, ganz oben auf dem Treppchen gestanden. Das ist die höchste Auszeichnung, die man in diesem Sport erreichen kann.
„Beim THS geht es leider nur bis zur Deutschen Meisterschaft“, berichtet Renzo. „Die Verbände haben es bis heute nicht geschafft, eine Europa- oder Weltmeisterschaft zu organisieren. Es hapert unter anderem daran, dass die Prüfungsordnungen nicht in allen Ländern gleich sind. Da müssen wir noch dran arbeiten und da sind wir auch dran.“ Sehr gut! Go for it! Macht THS international!
Renzo ist noch aus einem anderen Grund der perfekte Referent für diesen Workshop. Er weiß nicht nur, wie man gewinnt, er hat mit seinem Deutschen Schäferhund „Chico“ bisher die höchste Punktzahl „ever“ bei einer Deutschen Meisterschaft erreicht. „Chico war mein erster eigener Hund. Ich habe ihn 2009 bekommen. Da war er zehn Monate alt und noch überhaupt nicht sozialisiert. Es war anfangs nicht so leicht, aber wir sind zu einem Superteam zusammengewachsen und haben uns dann blind verstanden. Mit Chico hatte ich im Vierkampf auf einer Deutschen Meisterschaft meinen größten Erfolg und ich halte bis heute immer noch den Rekord mit 290 Punkten“, erzählt Renzo stolz. Und das kann er auf so eine Leistung auch sein. Wer bei diesem Workshop also etwas lernen wollte, hatte die allerbesten Voraussetzungen.
„Wenn ihr das nicht wisst, könnt ihr keine Hunde ausbilden.“
Pia und Renzo starteten am Freitag mit drei Stunden Theorie. Da haben wir uns mit dem Thema Lernverhalten beim Hund beschäftigt. Keine leichte Kost, trotzdem wurde es den Teilnehmern nicht langweilig. Im Gegenteil, es kam zu dem ein oder anderen Aha-Effekt. Das Verstehen der Lerntheorie und sie in der Praxis souverän einsetzen zu können, ist die Basis für die Arbeit mit dem Hund. Da sind sich Pia und Renzo einig.
Pia und Renzo trainieren gerne und auch regelmäßig zusammen, auch wenn sie nicht gerade um die Ecke beieinander wohnen. In der Unterordnung haben sie zwei unterschiedliche Blickwinkel und ergänzen sich in dieser Disziplin deshalb hervorragend. Die Unterordnung haben die beiden deshalb auch gemeinsam mit allen Teilnehmern gemacht. „Da die Gruppe sehr divers war, konnten wir den Leuten – nicht nur in der Unterordnung, auch in allen anderen Bereichen – viele verschiedene Dinge zeigen“, freut sich Pia. „Vom Welpen über Junghunde bis hin zu Hunden, die bereits „Turniererfahrung“ hatten, war alles dabei. Das war super! So konnten wir zeigen, wie man einen Hund aufbaut und wie man noch die letzten kleinen Details bei den Fortgeschrittenen herauskitzelt.“
„Wir haben auch noch unsere eigenen Hunde vorgeführt“, ergänzt Renzo. So konnten die Teilnehmer sehen, wie das Ganze am Ende aussieht, wenn es durchtrainiert ist. Dann konnten wir auch noch Lauftechniktraining machen und zeigen, wie wir daran arbeiten.“
Gelaufen werden muss beim THS ja viel. Wie kann ich es schaffen, nicht über die Hürde zu stolpern, sondern sie souverän zu nehmen?
Renzo erklärt es mir: „Beim Hürdenlauf ist die maximale Höhe 40 cm. Deshalb nutzen wir nicht eine klassische Sprungtechnik wie bei der Leichtathletik. Dabei würden wir während der Flugphase zu viel Zeit verlieren. Wir bringen den Leuten bei, die Hürde zu „überlaufen“. Es geht also mehr um eine spezielle Lauftechnik, als um eine Sprungtechnik. Dann haben wir noch die Wendestange. Auch da kann man viel Zeit verlieren. Wenn du die Wendestange spitz anläufst, dann musst du fast auf Tempo Null runtergehen, damit du sauber darumkommst. Also zeigen wir auch die ideale Technik an der Wendestange. Das sind dann alles Millisekunden, die man hier und da herausholen kann.“
„Wenn man nicht mehr drüber nachdenken muss, dann hat man es raus.“
Um auf ein gewisses Level zu kommen und im Wettkampf konkurrenzfähig zu sein, sollte man an allen Stellschrauben drehen. Das bestätigt auch Pia. „Man muss eine gute Lauftechnik lernen. Bei den Hürden ist es sehr wichtig, dass man sich keinen Gedanken darüber machen muss, mit welchem Fuß man an der Hürde ankommt. Das musst du so lange üben, bis es komplett automatisch abläuft.“
Ohne Fleiß, kein Preis! Doch das allein reicht nicht, schließlich hat man im THS beim Laufen immer noch einen Hund mit dabei. „Am Ende ist Geschwindigkeit nicht alles“, wirft Pia ein. Natürlich muss man versuchen, so schnell wie möglich zu sein, aber man muss dabei auch fehlerfrei durch den Parcours kommen und der Hund muss stets auf gleicher Höhe mitlaufen.“
Ist denn dann wirklich jeder Hund für den Sport geeignet? „Prinzipiell schon“, findet Pia. „Es kommt natürlich auch drauf an, welche Ansprüche und Erwartungen man hat. Auf den vorderen Plätzen sieht man schon hauptsächlich Border Collies, Aussies und Malinois.“
Renzo, der bereits seit 2015 regelmäßig Workshops und Seminare im THS gibt, kennt das Problem. „Die Leute kommen mit allerlei Hunden und Riesenerwartungen zu den Workshops. Ich erkläre ihnen dann, was für Voraussetzungen man schaffen muss, um ein gewisses Level zu erreichen. Das ist vielen Leuten nämlich gar nicht klar. Das haben wir auch diesmal in der Theorie angesprochen. Da ging es um das Thema Trainingsfaktoren und natürlich auch um Fairness gegenüber dem Hund. Mit einem Golf kannst du nun mal leider nicht bei der Formel 1 mitfahren! Wenn man das nicht beachtet, dann wird es schnell unfair dem Hund gegenüber.“
Aber zurück zur Lauftechnik... Wie sieht das denn beim Slalom aus? „Natürlich zeigen wir den Leuten auch da, wie sie möglichst wenig Zeit verlieren. Das geht mit einer Technik, bei der man nur zweimal abbremsen muss, aber sonst durchrennen kann. Um richtig gute Ergebnisse erzielen zu können, ist es auch hierbei wichtig, dass der Hund gut mitläuft. Damit wir möglichst eng ins Tor reingehen können, bringen wir den Hunden bei, sich an dieser Stelle hinten einzusortieren und danach sofort wieder aufzuschließen. Das ist nicht einfach und muss ausgiebig geübt werden. Es sieht nur einfach aus, bei den Leuten, die es draufhaben.
Weg vom Schritte zählen, hin zu einer sauberen Technik.
Auch beim Slalom ist es wichtig, möglichst variabel zu trainieren. „Bei Wettkämpfen sollte der Slalom zwar genau nach PO aufgestellt sein, das ist aber nicht immer der Fall“, stellt Renzo klar. „Wenn bei jeder Stange nur ein paar Zentimeter fehlen, dann macht das am Ende bei 7 Toren schon was aus. Trotzdem darf es kein Problem sein, wenn man nicht mit dem Lieblingsfuß an der Stange ankommt. Deshalb muss man so variabel wie möglich trainieren.“
Pia und Renzo lieben ihren Sport, trotzdem gibt es auch Kritikpunkte. Renzo ärgert sich darüber, dass das Trapez, als Ersatz für die Schrägwand, in die Hindernisbahn eingebaut wurde. „Man wollte es damit eigentlich besser machen, aber das Trapez ist der absolute Killer. Ein Endgegner für die Hunde. Sobald sie über das Trapez springen und auf der schrägen Seite aufkommen, überschlagen sie sich mit dem Tempo. Man hätte das vorher richtig testen müssen, ob es wirklich so gut ist. Man wollte ja das Ganze entschärfen, weil die Hunde immer schneller geworden sind.“
Erhöhtes Verletzungsrisiko
„Was ich auch gerne ändern würde, ist, dass nicht nur in der PO definiert wird, wo bei der Hindernisbahn die erste und die letzte Hürde stehen muss“, fordert Renzo. „Die restlichen Hindernisse stehen in willkürlichen Abständen. Das Problem dabei: Hab ich einen schnellen Hund, der zum Beispiel vom Trapez in den Tunnel rennt, dann skalpiert der sich fast, wenn der Tunnel zu nah steht. Oder er knallt in die Tonne, weil die zu nah am Laufsteg ist. Das muss geändert werden. Da passieren die meisten Verletzungen.“
Vielleicht wäre es gut, wenn erfahrene Hundesportler mehr Mitspracherecht bei der Gestaltung der Prüfungsordnung hätten. Denn konstruktive Kritik bringt nicht nur die Teilnehmer dieses Workshops weiter. Die haben die Anregungen übrigens dankend angenommen und Pia und Renzo haben durchweg positives Feedback bekommen. Einen Wermutstropfen gab es allerdings: Bei so viel Stoff hätten sie sich gerne einen Tag mehr gewünscht. Wenn das kein Anlass ist, das Ganze zu wiederholen. Vielleicht sogar wieder als Sporthund Praxistreff.