Biologisch, artgerecht und roh
Barfen erfreut sich wachsender Beliebtheit unter Hundebesitzern, denn es gilt als gesund und artgerecht. In diesem Artikel werfen wir einen fachlichen Blick auf die Vor- und Nachteile des Barfens und betrachten, ob diese Ernährungsweise wirklich empfehlenswert ist.
Einem Dackel, einem Mops oder einem Yorkshire Terrier sieht man seine Verwandtschaft nicht mehr an, einem Tamaskan, dem Tschechoslowakischen Wolfshund und dem Saarlooswolfhund jedoch umso mehr: etwa 400 Hunderassen gibt es heute, darunter mehr als 350 vom Fédération Cynologique Internationale (FCI) anerkannte, und alle stammen vom Wolf ab. Deren natürliche Ernährungsweise versucht man beim Barfen nachzuahmen. Doch: was fressen Wölfe überhaupt?
Das Senckenberg-Forschungsinstitut in Görlitz hat zehn Jahre lang mehr als 2.000 Kotproben von Wölfen aus der sächsisch-brandenburgischen Lausitz analysiert. Auf diese Weise konnten die Forscherinnen und Forscher die Ernährungspyramide der in Deutschland heimischen Wölfe ziemlich genau abbilden. Demnach besteht ihr Speiseplan zu mehr als 90 Prozent aus wilden Huftieren, nämlich Rehen (52,2 Prozent), Rothirsch (24,7 Prozent) und Wildschweine (16,3 Prozent) plus deren Innereien samt Inhalt. Einen geringen Anteil machen Hasen mit knapp drei Prozent aus. Nutztiere hingegen, wie zum Beispiel Schafe, reißen sie nur selten. Den Rest in der Ernährungspyramide machen Aas, Beeren, Früchte und Kleinsäuger aus.
Kurze Geschichte des Barfens
Wer sich entscheidet zu barfen, ahmt diese natürliche Ernährung der Wölfe zu Hause nach. Als Erfinder dieses Fütterungskonzepts gilt der australische Tierarzt Dr. Ian Billinghurst. In den 1980er-Jahren begann er, einen Zusammenhang zwischen industriell hergestelltem Futter und Hundekrankheiten zu vermuten und sich intensiver damit zu beschäftigen. Seinen eigenen Hunden bot er deshalb rohes Futter an und war von den Ergebnissen so begeistert, dass er die Nachahmung auch seinen Patienten empfahl. 1993 veröffentlichte er seine Erkenntnisse in seinem ersten Buch "Give Your Dog A Bone", in dem er sich dafür aussprach, Hunde roh und naturbelassen zu füttern. Einen eigenen Begriff kreierte er für sein Fütterungskonzept nicht.
Den Begriff „Barf“ hat die kanadische Hundeliebhaberin Debbie Tripp geprägt. Sie verwendete ihn sowohl für den Hundebesitzer selbst, der seine Hunde nach dieser Methode ernährt, als auch das Futter selbst. Das Akronym BARF machte im Laufe der Zeit einen Bedeutungswandel durch. Zunächst stand diese Abkürzung für „Born-Again Raw Feeders“ (übersetzt: wiedergeborene Rohfütterer), dann für „Bones and Raw Foods“ (übersetzt: Knochen und rohes Futter) bis hin zu „Biologically appropriate raw food“ (übersetzt: Biologisches artgerechtes rohes Futter). Im deutschsprachigen Raum wurde er unter „Biologisch Artgerechte Roh-Fütterung“ bekannt.
Heute barfen in Deutschland schätzungsweise zehn Prozent der Hundehalter – Tendenz steigend.
Umstellung auf‘s Barfen
Barfen setzt eine gute Vorbereitung voraus. Solange du deinem Hund ein Alleinfuttermittel in den Napf geschüttet hast, brauchtest du dich nicht um dessen Zusammensetzung zu kümmern. Ein Alleinfuttermittel muss in Deutschland rechtlich so zusammengestellt sein, dass es deinen Hund bei ausschließlicher Verwendung langfristig mit allem versorgt, was er braucht. Wenn du allerdings barfst, bist du selbst für die bedarfsgerechte Zusammenstellung des Futters verantwortlich. Denn während beispielsweise Vitamin C zwar für Hunde kein essentielles Vitamin ist, da ihr Körper es selbst bilden kann, müssen Hunde ihren Bedarf an allen anderen Nährstoffen genauso über das Futter decken wie wir Menschen auch. Du brauchst also ein fundiertes Wissen über den Bedarf deines Hundes an Energie, an Kohlenhydraten, Proteinen und Fetten sowie an Vitaminen, Mineralstoffen und Spurenelementen. Wichtig zu wissen: der Bedarf von Hunden variiert nach Rasse, Alter und Bewegungsintensität.
Wenn ein Wolf ein Reh reißt, frisst er nicht nur Muskelfleisch. Ein Reh besteht aus Muskulatur, Haut/Fell, Knochen, dem gefüllten Magen-Darm-Trakt, den inneren Organen mit Blut und Sonstigem wie Zähnen, Augen und Krallen. Jedes Teil liefert andere Inhaltsstoffe. Während das Muskelfleisch vor allem aus Eiweiß besteht, sind die inneren Organe zum Beispiel reich an Vitamin A (Leber) und Jod (Schilddrüse). Knochen und Zähne bestehen aus Calcium, die vorverdauten Reste im Magen der Pflanzenfresser enthalten Vitamine und Ballaststoffe. Ein Reh deckt also praktisch den gesamten Nährstoffbedarf des Wolfes.
Vorteile des Barfens
Wie jede andere Fütterungsart auch hat auch das Barfen Vor- und Nachteile. Die gesundheitlichen Pluspunkte wie eine bessere Konstitution, glänzenderes Fell und so weiter, die die Befürworter dem Barfen zuschreiben, sind wissenschaftlich kaum gestützt. Allerdings gibt es Argumente, die sich kaum von der Hand weisen lassen:
Nahe am Vorbild
Hunde sind biologisch gesehen omnivore Carnivore (also allesfressende Fleischfresser), deren Verdauungssystem sich über Millionen von Jahren an eine fleischbetonte Fütterung angepasst hat. Durch das Barfen erhalten Hunde ein Futter, das ihrer natürlichen Ernährung und ihrem Körper nahekommt.
Mehr Futter-Volumen
Da eine Barf-Ration überwiegend aus rohem Muskelfleisch plus Innereien, Knochen, Gemüse und/oder Obst besteht und natürlicherweise viel Wasser enthält, ist das Futtervolumen deutlich größer als bei Trockenfutter. Ein größeres Futtervolumen sorgt für ein besseres Sättigungsgefühl – das stimmt den Hund zufriedener und hält länger satt. Außerdem reibt sich der Hund beim Abnagen von Knochen den Zahnstein ab, was die Zahnpflege unterstützt.
Volle Zutaten-Kontrolle
Beim Barfen haben Hundebesitzer die volle Kontrolle über die Zutaten, die im Napf ihres Vierbeiners landen. Daraus ergeben sich zahlreiche Variationsmöglichkeiten, die eine große geschmackliche Vielfalt bieten und es ermöglichen, auf die individuellen Bedürfnisse des Hundes einzugehen. Auf diese Weise lassen sich beispielsweise Erkrankungen, Allergien und Futtermittelunverträglichkeiten besser berücksichtigen.
Frei von Zusatzstoffen
Industriell hergestelltes Futter kann Konservierungsstoffe, künstliche Aromen und Farbstoffe enthalten. Beim Barfen lassen sich solche Zusatzstoffe vermeiden.
Veränderte Verdauung
Hundehalter, die barfen, berichten oft von einer verbesserten Verdauung ihrer Hunde. Man bringt dies mit einem geringeren Getreide- beziehungsweise Kohlenhydrat-Anteil der Rationen in Verbindung, die bei manchen Hunden Verdauungsprobleme verursachen können.
Nachteile des Barfens
Umgekehrt können beim Barfen folgende Nachteile entstehen:
Risiko der Mangelernährung
Barfen ist langfristig nur dann bedarfsdeckend, wenn die Halter ein fundiertes Wissen über die Bedürfnisse ihres Hundes in Bezug auf Energiebedarf, Nährstoffe, Vitamine, Mineralstoffe und Spurenelemente besitzen. Ist die Futterration langfristig nicht bedarfsdeckend, kann Barfen unausgewogen sein und zu Mangelerscheinungen führen.
Risiko für Infektionen
Rohes Fleisch kann mit Krankheitserregern kontaminiert sein, man denke an Salmonellen, Campylobacter oder Escherichia coli. Sowohl für den Hund als auch für den Menschen besteht dann die Gefahr einer Infektion. Hygiene ist daher beim Umgang mit rohem Fleisch besonders wichtig.
Risiko von Hormon-Zufuhr
Schlundfleisch kann Reste von Schilddrüsengewebe enthalten. Deren Gehalt an Schilddrüsenhormonen kann beim Hund die eigenen Hormonwerte durcheinander bringen.
Höheres Verletzungsrisiko
Knochenfütterung, insbesondere wenn der Hund nicht daran gewöhnt ist, kann zu Verdauungsproblemen wie Durchfall oder Verstopfung führen. Unabhängig vom Gewohnheitsgrad birgen Knochensplitter ein Risiko für Verletzungen an Zähnen, Zahnfleisch oder im Magen-Darm-Trakt.
Höherer Zeitaufwand
Barfen erfordert Zeit für die Zubereitung und das Portionieren der Mahlzeiten. Im Vergleich zu Fertigfutter ist dieser Aufwand deutlich höher.
Fazit: Ist Barfen empfehlenswert?
Die Entscheidung für oder gegen das Barfen hängt von verschiedenen Faktoren ab. Es ist wichtig, die individuellen Bedürfnisse des Hundes zu berücksichtigen und abzuwägen, ob man bereit ist, den zusätzlichen Aufwand für eine ausgewogene Rohfütterung zu betreiben. Fundiertes Wissen über die Bedürfnisse des Hundes sowie hygienische Maßnahmen sind unerlässlich, um die potenziellen Vorteile des Barfens zu nutzen und gleichzeitig Risiken zu minimieren. Letztendlich ist es ratsam, sich mit einem Tierarzt oder einem Ernährungsberater für Hunde abzustimmen, bevor man sich für das Barfen entscheidet. Eine kompetente Fachperson kann dabei helfen, einen ausgewogenen Ernährungsplan zu erstellen, der die individuellen Bedürfnisse des Hundes berücksichtigt und gesundheitliche Risiken minimiert. Insgesamt bietet das Barfen die Möglichkeit, Hunde auf eine natürliche und biologisch angepasste Weise zu ernähren. Allerdings erfordert es eine gewisse Hingabe, Zeit und Wissen, um die potenziellen Vorteile zu maximieren und die Risiken zu minimieren. Letztlich geht es darum, die richtige Entscheidung für den eigenen Hund zu treffen und dessen Wohlbefinden stets im Blick zu behalten.