Arthrose, Schmerzen und eine Hoffnung

Arthrose beim Sporthund

Für unsere Sporthunde bedeutet die Diagnose „Osteoarthrose“ unweigerlich das Ende der Karriere – oder? Bei dieser degenerativen Gelenkserkrankung verliert das betroffene Gelenk im weiteren Verlauf immer mehr der schützenden Knorpelschicht. Der Gelenkspalt wird schmaler, die Gelenksflüssigkeit verändert ihre Zusammensetzung, die anliegenden Knochenflächen beginnen mit Umformungs- und Zuwachsbildung. Weit fortgeschritten büßt das Gelenk seine Beweglichkeit ein – und Arthrose wird häufig von sehr schmerzhaften Entzündungsprozessen im umliegenden Gewebe begleitet, auch wenn der Knorpelverschleiß selbst nicht weh tut.

Nun ist diese Gelenkserkrankung aber nicht nur eine Geißel des alten Hundes: sogenannter „sekundäre Arthrose“ liegt meist ein vorhergehendes Verletzungs- oder Krankheitsgeschehen zugrunde. Auch Überbelastung, genetische Faktoren oder Stoffwechselstörungen können eine frühzeitige Knorpeldegeneration auslösen. Klingt nicht so rosig für den vierbeinigen Sportler! (1)

 

Bewegen oder Nicht-Bewegen?

Hier darf der Sportsfreund gemeinsam mit dem Hund aufatmen: Bewegung und Muskelaufbau zählt definitiv zur Arthrose-Prophylaxe und stellenweise sogar zu Behandlung – allerdings nicht mehr unter Leistungsaspekten.

Tatsächlich hat sich die bisherige Ansicht über die chronische Erkrankung mittlerweile gewandelt. Früher als untherapierbare, nicht-entzündliche Verschleißerscheinung des Alters schulterzuckend abgetan, wird heute den immunologischen Entzündungsprozessen mehr Aufmerksamkeit gewidmet: sie besäßen eine „entscheidende Beteiligung an der Pathogenese der Arthrose“. (2)

Vielleicht erklärt dies auch den häufig Schubweise auftretenden Verlauf der Erkrankung. Eine akute Gelenksentzündung hingegen nennt man Arthritis und hier ist tatsächlich Schonung und entzündungshemmende Medikamention durch den Tierarzt angesagt, will man entzündliche Zersetzungsprozesse an der Knorpelmasse vermeiden. Außerdem kann eine Blutuntersuchung Klarheit schaffen.

Der Knorpel selbst benötigt dringend Bewegung, um sich zu ernähren und weiterer Degeneration zu verlangsamen. Lediglich Belastungsspitzen kann er im geschädigten Zustand nicht mehr dämpfen. Schmerzbedingte Schonhaltung und unweigerlich folgender Muskelabbau verschlimmern die Situation. Ein Teufelskreis!

 Schwimmen entlastet die Gelenke

Schwierige Diagnostik

So simpel der Pathomechanismus der Erkrankung auch klingen mag: diagnostiziert wird sie häufig erst, wenn sich auf dem Röntgenbild bereits deutliche Knochenveränderungen zeigen. (1) Dabei sagen diese oft nichts über die Symptomatik aus: auch eine Vielzahl gravierender Veränderungen muss nicht schmerzhaft sein. Umgekehrt werden Arthroseschmerzen manchmal fehlgedeutet, da sich beginnende Knorpelschäden nicht auf dem Röntgenbild darstellen lassen. Hier wäre ein – teures – MRT vonnöten. 

Typische Symptome sind jedoch die sogenannten „Anlaufschmerzen“, bei denen der Hund unmittelbar nach dem Aufstehen steif und unbeweglich wirkt oder sogar lahmt. Nach einigen Minuten läuft er wieder flüssiger. Noch deutlicher zeigen sich Bewegungseinschränkungen bei „Idiomotionen“, wie Professor Fischer Bewegungen ohne Fortbewegung tituliert. Dazu gehören Beinheben ebenso wie Hinter-dem-Ohr-Kratzen oder Scharren im Boden. Der Bewegungsspielraum der Gelenke ist deutlich eingeschränkt. Dem Hund schmerzen die Glieder. Hier wirkt sich auch der Muskelabbau zunehmend aus: verteilt sich das Körpergewicht nicht mehr gleichmäßig, kommt es unweigerlich zu punktuellen Überbelastungen. Oft lahmt der Hund auf der noch nicht betroffenen Gliedmaße, weil er sie aus einer Schonhaltung heraus überbelastet: die nächste Baustelle ist vorprogrammiert.

 

Schmerzäußerungen – wann nehmen wir sie wahr?

Leider sind wir „Hundemenschen“ oft nicht gut darin, Schmerzäußerungen unserer Hunde treffend einzuschätzen. Besonders chronische Schmerzen, wie fortschreitende Osteoarthrose oft verursacht, scheinen wir nicht gut wahrnehmen zu können. (4)

Dabei könnte ein sensibler Umgang dazu führen, dass eine Knorpelschädigung bereits im Frühstadium erkannt wird. Auch im Humanbereich sprechen sich Orthopäden und Sportmediziner dafür aus, selbst unbedeutend erscheinende Traumata wie Prellungen oder Verstauchungen gut auszuheilen. Die Gliedmaße muss hinterher wieder ihren gewohnten Bewegungsspielraum und Belastbarkeit erreichen, sollen Spätfolgen vermieden werden. 

Ein Check-up beim Physiotherapeut könnte unserem vierbeinigen Sportskamerad gute Dienste erweisen: Sind bereits Dysbalancen im Bewegungsapparat erkennbar? Lösen passive Bewegungen Abwehrverhalten aus? Zeigen Muskelgruppen auffällige Verspannungen? Oft lässt sich hier noch präventiv eingreifen!

Empathie hat viel mit Wahrnehmungsfähigkeit zu tun. Aber aufgepasst: Unsere Einstellung zu Schmerzen beeinflusst signifikant, wie wir eine vorhandene Schmerzäußerung interpretieren. Bei einer Studie in den USA stuften Tierärzte ihnen sympathische Hunde als deutlich weniger schmerzempfindlich ein. Die Wissenschaftler vermuteten, dass die Tierärzte Schmerzen mehr mit die Behandlung störenden Verhaltensreaktionen assoziierten. Die Gefahr hierbei ist, dass kooperative Äußerungen übersehen werden.

Für einen Sporthundehalter ist es also sinnvoll, Verhaltensbeobachtung und sensible Wahrnehmung von Veränderungen extra zu trainieren. Ähnlich, wie ein guter Sportcoach es bei seinen Klienten praktiziert.

 Physiotherapie, wie Cavalettitraining, verbessert die Beweglichkeit

Licht am Horizont – Librela Zoetis

„Mit Librela steht eine neue Behandlungsmethode zur Verfügung, die den Ergebnissen kontrollierter Studien zufolge bei zahlreichen Hunden Arthroseschmerzen deutlich lindern kann“, schreibt die Wissenschaftsbloggerin Anna Pietschmann in ihrem Internetauftritt „Fluffology - Flausch & Wissenschaft“. (6)

Sorgfältig recherchiert stellt sie die Wirkweise monoklonaler Antikörper vor – hinter dem sperrigen Fachbegriff versteckt sich ein neuartiges Schmerzmedikament. In Deutschland veterinärmedizinisch zugelassen ist es seit März 2021 – mit vielversprechenden Ergebnissen! 

Bei monoklonalen Antikörpern handelt es sich um speziell aufbereitete Eiweißstoffe, welche sich gezielt an einen bestimmten Botenstoff heften: den „Nerve Growth Factor“, Nervenwachstumsfaktor. 

„Patienten mit schmerzhafter Arthrose besitzen an den Gelenken eine viel höhere Konzentration des Stoffes als gesunde Menschen“, erklärt Anna Pietschmann. Der Mechanismus bewirke durch die Schmerzwahrnehmung das gefürchtete Schonverhalten. Auch bei Hunden gehöre dieser destruktive Umbauprozess zum Bild der Athrose: „Während also gesunde Hunde am Gelenkknorpel selbst gar keine Schmerzen empfinden können, besitzen unter Arthrose leidende Tiere dort Zellen zur Schmerzwahrnehmung.“

Anders als klassische Schmerz- und Entzündungshemmer handelt es sich bei dem Biopharmaka nicht um chemische Wirkstoffe, welche über den Verdauungstrakt verstoffwechselt werden. Dies könnte gerade bei älteren Hunden mit Nierenproblemen oder Magen-Darm Komplikationen endlich eine langfristig anwendbare Schmerzbehandlung bieten. Auch sei es problemlos mit einer breiten Palette oftmals im Alter notwendiger Medikamente verträglich.

Einziger Wermutstropfen für den Einsatz bei Sporthunden: der Hersteller Zoetis merkt an, dass die Auswirkungen auf laktierende Muttertiere oder zur Zucht eingesetzten Hunde nicht ausreichend erforscht sei – bei Primaten habe sich eine Reproduktions- und Entwicklungstoxizität belegen lassen.

Und Anna Pietschmann legt Haltern behandelter Hunde eingehend nahe, trotz neu gewonnener Schmerzfreiheit keine Überlastung erkrankter Gelenke zu tolerieren! 

Und doch verspricht dieses Medikament erhebliche Lebensqualität – dass diese auch langfristig erhalten bleibt, nun, da sind wir in der Pflicht.

Ein geringer Preis, oder?

 

 

 

Quellen:

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