Wenn die Behandlung beim Tierarzt das Budget übersteigt, gibt es Engel.
Dr. Katrin Wontorra behandelt in ihrer zweiten, sozialen Praxis die Tiere von armen Menschen kostenlos. Das ist möglich, weil es Menschen gibt, die ihr Engagement teilen und finanziell unterstützen. Um künftig noch mehr Bedürftigen helfen zu können, sind mehr Spenden nötig.
Gestiegene Verbraucherpreise durch Inflation und knappe Waren machen vielen Menschen in Deutschland derzeit das Leben schwer. Wenigstens spendet der vierbeinige Liebling Trost in schweren Zeiten: er motiviert, fragt nicht und ist einfach da. Doch nun ist nicht nur das Futter teurer geworden, auch die Tierärzte rechnen mehr ab als zuvor. Denn seit dem 22. November 2022 gilt die neue Gebührenordnung. Selbstverständlich müssen auch Tierärzte kostendeckend arbeiten können, doch die steigenden Tierarztkosten müssen von den Haltern auch bezahlt werden können – von Menschen, die vielleicht als Pfleger, als Verkäufer oder als Friseur ihr Leben finanzieren. Halter, die sogar nur eine knappe Rente erhalten oder auf eine Grundsicherung angewiesen sind, kommen da an ihre Grenzen.
Kostenlose Behandlung für Tiere armer Menschen
So wie Melanie K. (Name von der Redaktion geändert) aus Mettmann. Sie bezieht Grundsicherung und hätte sich die Kosten von rund 2.000 Euro für die Zahnbehandlung ihrer Hündin Chicca zu diesem Zeitpunkt nicht leisten können. Für Menschen wie sie und deren Tiere hat Dr. Katrin Wontorra im August 2021 das „Zentrum für Mensch und Tier der Tierarztpraxis Dr. Katrin Wontorra“ ins Leben gerufen. Jeden Freitag öffnet die Tierärztin mit ihrem Team von 14 bis 17 Uhr die Türen, um die Tiere sozial schwacher Halter aus Mettmann und bei Bedarf auch der Umgebung kostenlos zu behandeln. Die persönlichen Schicksale könnten unterschiedlicher nicht sein: mal ist eine Erkrankung der Grund, warum sie nicht mehr arbeiten können, mal hat ein Schicksalsschlag die Menschen aus der Bahn geworfen. Berechtigt sind alle, die in irgendeiner Weise Hilfe zum Lebensunterhalt beziehen und die entsprechenden Nachweise vorlegen können. „Anfangs hatten wir nur zwei, drei Patienten, mittlerweile ist die Praxis in der Düsseldorfer Straße 91a in Mettmann freitags immer gut gefüllt.“
Per gUG als gemeinnützig anerkannt
Da Tierärzte in Deutschland nicht unentgeltlich arbeiten dürfen, finanziert Katrin Wontorra alle Aufwände komplett aus Spenden und hat dafür als Dach die „Tierarztpraxis ohne Grenzen gUG“ gegründet. „gUG“ steht für gemeinnützige Unternehmergesellschaft und ist eine Rechtsform für gemeinnützige Projekte. „Damit sind wir beim Finanzamt als gemeinnützig anerkannt und können zum Beispiel Spendenbescheinigungen ausstellen“, erklärt sie. Nach etwa einem Jahr hatten sich so viele Förderer gefunden, dass sich die soziale Praxis seitdem von den Spenden trägt und Katrin Wontorra die Kosten nicht mehr privat tragen muss. Trotzdem bleibt das Geld immer knapp. Damit es so lange wie möglich reicht, rechnet sie nur den einfachen Gebührensatz ab und bekommt Unterstützung von einem Team aus insgesamt fast 20 Helfern, die sich abwechseln und alle kostenlos arbeiten. Außerdem haben die Halter keinen Anspruch auf eine Leistung, sondern die Tierärztin entscheidet individuell, welche Untersuchungen gemacht werden müssen und welche Behandlungen sinnvoll sind. Kastrationen und Impfungen beispielsweise führt sie aus Kostengründen nicht durch, der Schwerpunkt liegt auf der Behandlung kranker Tiere. „Im schlimmsten Fall kann es sein, dass ich eine Behandlung aus Kostengründen ablehnen muss oder die Sprechstunde ausfällt, bis wieder genug Spendengelder eingegangen sind“, so Wontorra. Demnächst kommt beispielsweise ein Hund, dessen Nase doppelt so dick ist wie sie sein sollte. „Dafür bräuchte ich eigentlich ein MRT, doch das sprengt bislang den finanziellen Rahmen.“ Manche Fälle überweist sie dann an Fachtierärzte, mit denen sie kooperiert und die ebenfalls den einfachen Gebührensatz abrechnen.
Unter den Patienten auch alte Sporthunde
Ein Problem sei oft, dass viele der Tierhalter mit dem Besuch in der Praxis aus Scham zu lange warten. So manches Wehwehchen, dass sich zeitnah noch leicht hätte in den Griff kriegen lassen, hat sich bis dahin so verschlimmert, dass die Therapie einen deutlich größeren Aufwand bereitet. Dann müssen etwa plötzlich mehrere Zähne gezogen werden, weil sich das Geschwür am Zahnfleisch schon über den halben Kiefer ausgebreitet hat. Langwierig sind beispielsweise auch Gelenkprobleme, die durch starke Belastungen und Fehlhaltungen in jungem Alter entstehen und sich beim alten Hund irgendwann bemerkbar machen. „Ich kenne nicht von jedem Hund die persönliche Geschichte, aber bei manchen hat die Arthrose einen Schweregrad, der eigentlich nur nach einer Karriere im Hundesport auftritt“, sagt Katrin Wontorra. Allen Hunden kann sie helfen, doch nicht alle werden vollständig wieder gesund. Ein besonders positives Beispiel aber war ein Golden Retriever, den sie unter anderem mit Neuraltherapie, Schmerzmitteln sowie Collagen- und Hyaluronsäurepräparaten behandelt hat. „Das war ein unglaublicher Erfolg: die Gelenke fühlen sich fast wieder normal an, sind abgeschwollen und die Hündin lahm nicht mehr“, freut sie sich.
Mehr Spenden, mehr Hilfe für Bedürftige
Um künftig noch mehr Menschen beziehungsweise deren Tiere behandeln zu können, braucht es mehr Menschen, die ihr Engagement teilen und sie mit monatlichen Spenden (ab fünf Euro monatlich) dabei sind. Auch Sachspenden helfen, denn mittlerweile hat Katrin Wontorra in Mettmann auch eine Tiertafel ins Leben gerufen. Doch dabei soll es nicht bleiben: „Mein Herzenswunsch ist, noch mehr solche sozialen Tierarztpraxen in Deutschland zu eröffnen.“