Sport- und Diensthunde brauchen eine gute Skelettmuskulatur, die Knochen, Gelenke und Bänder schützt und das Risiko für Verletzungen senkt. Eine Körperbauanalyse findet Schwachstellen, an denen sich gezielt arbeiten lässt.
Eine gute Muskulatur ist nicht nur schön anzusehen: Wie eine schützende Hülle umgibt sie Organe und Bewegungsapparat. Sie helfen dem Hund bei jeder Bewegung, egal, ob er mit den Ohren wackelt oder über eine Hürde springt. Zudem verursacht sie einen höheren Energieumsatz. Trainierte Hunde verbrennen daher im Ruhezustand mehr Kalorien als Untrainierte und haben seltener Übergewicht.
Die Muskeln, die für die aktiven Körperbewegungen zuständig sind, werden als Skelettmuskeln bezeichnet. Obwohl die Hundezucht große Unterschiede in Größe und Skelett gebracht hat, unterscheiden sie sich bei den einzelnen Rassen kaum. So sind sie beim Mops zwar kürzer als bei der Dogge, die Physiologie ist aber identisch. Jede Muskelfaser besteht aus einem Eiweißgeflecht aus Aktin, Myosin und Troponin, das sich ineinanderschieben und verkürzen kann. Von selbst entspannen kann es sich nicht; deshalb gibt es zu jedem Muskel einen Gegenspieler, der das Eiweißgeflecht wieder auseinanderzieht. Innerviert wird der Muskel von einem Nerv, der den Befehl zur Bewegung vom Gehirn erhält und weiterleitet. Herzmuskel und die glatten Muskeln der inneren Organe sind nicht willentlich beeinflussbar, sondern arbeiten unabhängig von den Absichten des Tieres.
Jeder Sportart fordert anderes
Eine gute Muskulatur stützt auch die Gelenke, die insbesondere bei High-Impact-Sportarten stark belastet werden. Diese enthalten abrupte Richtungswechsel, Kurvenverläufe, Sprünge und Abfolgen von Stopps und Beschleunigungen, die mit Stoß-, Stauch-, Dreh- und Streckbewegungen einhergehen. Praktisch alles davon ist im Agility enthalten. Doch auch andere Disziplinen stellen teilweise hohe Anforderungen an den Bewegungsapparat:
- Wenn der Hund springt oder eine Steilwand erklimmt, ist die Hinterhand im Einsatz. Sie initiiert die Vorwärtsbewegung und wird immer dann beansprucht, wenn sich der Hund abstößt. Hüft-, Knie- Sprung- und Zehengelenke strecken sich hierbei. Die Steilwand fordert insbesondere auch den lumbosakralen Übergang zwischen Lendenwirbelsäule und Kreuzbein.
- Wenn der Hund hingegen abwärts läuft, stoppt oder nach einem Sprung landet, wird vor allem die Vorderhand beansprucht. Zu den 60-65 Prozent des Gewichts, die sie bereits im normalen Bewegungsablauf trägt, kommt dann noch ein Vielfaches hinzu. Dabei werden Schulter und Ellenbogen gebeugt, das Carpalgelenk überstreckt und der Kopf nach unten bewegt. Gleichzeitig fungieren die Ballen als Stoßdämpfer.
- Beim Laufen oder in der Flugphase eines Sprunges hält die Rückenmuskulatur die Wirbelsäule gerade, während Kruppe und Rute das Gleichgewicht halten. Eine hohe Beweglichkeit der Wirbelsäule ist im Slalom notwendig, die sich wechselseitig um die Stangen „schlängeln“ muss.
Dabei macht es einen großen Unterschied, wie eine Bewegung ausgeführt wird. Es sind vor allem einseitige Belastungen, die zu Verspannungen oder gar Verschleißerscheinungen führen können, wenn nicht rechtzeitig gegengesteuert wird. Windhunde beispielsweise beanspruchen beim Rennen vor allem die linke Körperhälfte, weil sie sich auf kreisförmig angelegten Rennbahnen in die Kurve legen müssen, um das Tempo zu halten. Einseitig ist auch die Belastung der Halswirbelsäule im Obedience, wenn der Hund beim Fußgehen seinen Hundeführer ansehen soll, oder im Schutzhundesport, wenn er sich bei den Angriffsübungen ruckartig im Unterarm verbeißt.
Schwachstellen finden und stärken
„All das spricht dafür, die Muskeln eines Hundes gezielt zu trainieren“, rät Eva Dostler. Die 33-Jährige ist Hundephysiotherapeutin und betreibt eine eigene Praxis im osthessischen Kirchheim. Dort behandelt sie Haushunde ebenso wie Sporthunde oder Diensthunde von Polizei, Zoll oder Bundeswehr. Sie weiß, dass auch jedes gesunde Tier eine Schwachstelle hat. Die gilt es zu finden, bevor er seine Karriere als Sport- oder Diensthund startet. Dazu führt Eva Dostler in ihrer Praxis eine Körperbauanalyse durch. Optimal ist dazu ein Alter von etwa acht Wochen, weil der Körperbau eines Welpen dann am ehesten dem des ausgewachsenen Tieres entspricht. Dabei ertastet sie Körperteil für Körperteil − vom Kopf bis zur Rutenspitze − nacheinander durch, prüft, analysiert und protokolliert Auffälligkeiten in Text und Bild. So geben beispielsweise die drei Balance-Linien schon eine Fülle an Informationen. Ein funktionell gesunder Körperbau ist ausgewogen und gut balanciert. Abweichungen in der Stellung von Kopf, Hals, Brust und Beinen hingegen können sich später auf die Bewegungsabläufe und Gelenke auswirken.
Mit dem Hochleistungstraining sollte erst begonnen werden, wenn der Hund körperlich voll ausgewachsen ist. Je nach Rasse ist dies mit zwölf bis 18 Monaten der Fall. „Bis dahin hat er Wachstumsschübe wie ein Teenager. Dann sieht er kurzfristig unproportioniert aus, ist schneller müde, weniger belastbar und anfällig für die Entstehung von Erkrankungen des Bewegungsapparates“, erklärt Dostler. Gerade in der Hauptwachstumsphase, die etwa zwischen dem dritten und siebten Monat liegt, kann ein ambitioniertes Training mehr schaden als nutzen und Sehnen, Bänder und Gelenke schädigen. Kurze Einheiten, die den jungen Hund spielerisch an seine späteren Aufgaben heranführen, reichen.
Hunde brauchen Pausen
Basierend auf dem Ergebnis der Körperbauanalyse gibt Eva Dostler direkt Tipps für gezielte Übungen. „Wem es schwer fällt, dafür neben dem normalen Training noch Zeit zu finden, kann sie oft auch gut in den Alltag integrieren“, empfiehlt sie. Eva Dostler ist ein großer Fan davon, ihre eigenen vier Hunde beim Gassigehen Übungen machen zu lassen. Zusammen mit dem Australian Shepherd Adam, der Siberian-Husky-Dame Erna und den beiden Alaskan Huskys Sepp und Ubbe betreibt die 33-Jährige nämlich aktiv Zughundesport – dafür müssen alle fit sein. Beim Balancieren auf Baumstämmen etwa liegen die Pfoten auf der gewölbten Oberfläche anders auf als auf einer ebenen Straße. Das reicht schon aus, um andere Muskeln anzusprechen als beim normalen Gehen auf Asphalt. Ebenso kann sich der Hund mit den Vorderpfoten auf einen Baumstumpf stellen, während er ihn mit den Hinterbeinen umrundet.
Ebenso wichtig wie das gezielte Training, sind Pausen. Diensthunde haben es da etwas schwerer, weil sich der nächste Einsatz nie voraussehen lässt. Wenn ein Menschenleben in Gefahr ist, müssen sie einsatzbereit sein. „Aber bei Sporthunden lassen sich freie Tage gut vorausplanen“, weiß Eva Dostler.
Schmerzen bleiben unbemerkt
Ob es körperlich zu viel war, weiß der Halter leider oft erst im Nachhinein. „Sehr arbeitswillige Hunde lassen sich lange nicht anmerken, wenn sie sich unwohl fühlen oder Schmerzen haben. Manchmal ist es erst das Verweigern einer Übung, das den Halter stutzig macht“, weiß Eva Dostler. Andere Tiere zeigen ihr Unwohlsein mit unspezifischen Anzeichen, wie Hecheln, Appetitlosigkeit oder Antriebslosigkeit. Für die Vorfahren unserer Hunde, den Wölfen in einem Wolfsrudel, machte dies durchaus Sinn: Ein krankes Tier kann seine Aufgabe nicht wahrnehmen und verliert mit der Zeit seinen Platz in der Hierarchie.
Deshalb ist es essentiell, dass Hundehalter sensibilisiert sind und früh merken, dass sich Probleme ankündigen. Eva Dostler empfiehlt, Trainingstagebücher zu führen. Darin soll dokumentiert werden, welche Übungen gemacht wurden, wie viele Wiederholungen und welchen Eindruck der Hund dabei gemacht hat. Es kann sogar helfen, die Trainings mit der Kamera zu filmen, um sich einzelne Sequenzen immer wieder anschauen zu können. „Wenn man dann Abweichungen bemerkt, stimmt was nicht.“
Verletzungen sorgfältig auskurieren
Hat sich der Hund trotzdem eine Verletzung zugezogen, hilft alles Nichts: sie muss in Ruhe ausheilen. Das kann Wochen dauern, manchmal auch Monate. „Dann ist das Wichtigste, dass der Mensch Geduld hat und seinen Ehrgeiz reduziert“, sagt Eva Dostler. Erst dann kann wieder ein vorsichtiges Training erwogen werden, um die Muskeln langsam und gezielt wieder aufzubauen. Auch hier hilft ein T
rainingstagebuch, Fortschritte – und vielleicht auch Rückschritte – festzuhalten. Die Rückkehr zur Höchstleistung erleichtern Low-Impact-Sportarten wie Longieren oder Hoopers, bei denen die Belastung für den Bewegungsapparat deutlich geringer ist.