Grundsätzlich:
Der Hund ist ein Lauftier – und der Hund ist intelligent und will beschäftigt werden, geistig wie körperlich – und der Hund ist ein soziales Lebewesen und braucht dementsprechende Kontakte, soziale Bindungen und Aufgaben.
Somit ist alles besser für einen Hund, als nicht beschäftigt zu werden und zu verkümmern. Ursprünglich wurde jede Hunderasse für einen bestimmten Zweck gezüchtet – und nur solange ein Hund dies ausleben kann, würde ich ihn als glücklichen Hund bezeichnen. Oder glauben Sie, dass ein Jagdterrier auf einem Sofa dauerhaft glücklich ist? Nur, weil ein Einsatz bei einer Jagd potenziell gefährlich sein könnte oder er hinterher vor Erschöpfung nichts mehr wünscht, als auf selbiges Sofa zu kriechen und einzuschlafen?
Klar – wo gehobelt wird fallen Späne. Es gibt keine Sportart, in der es keine Verletzungen gibt, außer vielleicht Schach.
Es gibt bekanntlich verschiedene Disziplinen im Hundesport: Von Agility bis zu IGP (Gebrauchshundesport) ist alles dabei. Meines Erachtens ist für alle Sportarten hauptsächlich eines wichtig:
Augenmaß und gesunder Menschenverstand!
Muss man einen Rottweilerrüden mit 60 kg fünfmal am Tag über die Hürde oder die A-Wand jagen, obwohl er das seit Jahren kann, nur um den kompletten Prüfungsablauf durchgängig zu üben? Meines Erachtens nein, denn zu groß sind die Belastungen, die jedes Mal auf Schulter-, Ellenbogen- und Karpalgelenk einwirken. Muss ein Hund beim Agility zwanzigmal durch die Stangen gejagt werden und immer dieselben stereotypen Bewegungen ausführen? Studien gibt es meines Wissens keine darüber, aber ich kann mir als Tierarzt nicht vorstellen, dass dieses Gehopse auf die Dauer der Wirbelsäule oder den Vorderläufen gut tut… hierfür ist die Anatomie eines Hundes nicht ausgerichtet. Genau wie die Lendenwirbelsäule, wo durch die Statik und Motorik des Hundes die größte Kraftübertragung bei schnellen Bewegungen stattfindet.
Analog zur Humanmedizin können exzessiv betriebene Sportarten auch zu den bekannten Abnutzungserscheinungen führen.
Allerdings ist eine ausgewogen aufgebaute Muskulatur der beste Schutz, und diese braucht natürlich entsprechende Belastung und Training für ihren Aufbau und Erhalt.
Vielleicht sollte man in Helferschulungen mehr Wert darauf legen, dass abruptes Hin- und Herbewegen des Ärmels der Halswirbelsäule nicht unbedingt zuträglich ist, um akute Traumata und Irritationen zu vermeiden, obwohl ein ausreichend trainierter Hund selbstverständlich über eine ausgesprochen starke Nackenmuskulatur verfügt.
Anmerkung
Dr. vet. Korthäuer, ehemals Leiter der Diensthundeklinik der Bundeswehr, hat um die Jahrtausendwende eine veterinärmedizinische Auswertung über degenerative Erkrankungen des Bewegungsapparats bei Diensthunden veröffentlicht und dabei weder signifikant häufiger Hals- noch Schulterverletzungen vorgefunden, wie man bei der Schutzhundearbeit vielleicht vermuten könnte. Dafür umso mehr Beeinträchtigungen in der Lendenwirbelsäule – da scheint schnelles Laufen und Springen tatsächlich belastender zu sein als “berufsmäßiges Beißen”.
Aber genug des Negativen.
Ein Hund kann auch außerhalb des Hundeplatzes verunfallen – und die meisten Kreuzbandrisse passieren sicherlich nicht beim Training, sondern eher beim Spiel mit Artgenossen oder beim Laufen über unwegsames Gelände – auch eine genetische Prädisposition hierfür möchte ich nicht ausschließen.
Man kann einen Hund nicht unter eine sterile Käseglocke stellen, nur damit ihm ja nichts passieren kann. Es handelt sich um ein Lebewesen, und Leben beinhaltet nun mal gewisse Risiken. Ein Hund will seine Triebe ausleben können- und ein Hund will kompetitiv um Erfolge kämpfen – auch, wenn es sich nur um einen Hetzärmel oder eine Beißwurst dreht.
Meines Erachtens ist Hundesport eine ideale Möglichkeit, durch die ein Hund gefahrlos seine angestammten Triebe und Bedürfnisse ausleben kann. Zähne brechen eher dadurch, dass ein Hund ungeduldig in sein Zwingergitter beißt, im wilden Spiel irgendwo hängen bleibt (Achtung! Vor dem Spielen Metallhalsbänder runter, Verletzungsgefahr!) oder Zuhause aus Langeweile die Wohnung umgestaltet. Sollte ein Caninus mal beim Schutzdienst draufgehen ist es einfach Pech, denn sowas passiert eigentlich selten. Materialien und Equipment im Hundesport sind heutzutage so verarbeitet, dass die diesbezügliche Verletzungsgefahr kaum mehr ein echtes Risiko darstellt.
Weiterhin ist es wichtig, auf den Infektionsschutz zu achten. Eine ganze Hundestaffel kann ausfallen, wenn immer der gleiche Hetzärmel verwendet wird. Über diesen Weg lassen sich Bakterien und Viren vortrefflich verteilen. Das ist das Gleiche, als wenn beispielsweise Autobahnraststätten in bester Absicht Wasser- und Fressschüsseln für Hunde bereitstellen. Eine gut gemeinte Sache, die aber extrem zur Verbreitung von Krankheiten führen kann.
Stringent durchgeführter Hundesport ist auch eine ideale Zuchtauswahl, denn leistungsschwache Hunde oder welche mit körperlichen Mängeln kann man häufig ohne viele Untersuchungen bereits im Vorfeld erkennen – und dann aus der Zucht nehmen. Dies bezieht sich sowohl auf physische als auch auf psychische Mängel. Vor allem auch nervenschwache Tiere würde man frühzeitig erkennen – denn Angstbeißer will keiner von uns, da von denen die höchste Gefahr ausgeht und diese auch schwer therapierbar sind. Als Tierarzt habe ich immer nur eine Momentaufnahme – auf dem Hundeplatz kann man einen Hund über einen längeren Zeitraum beobachten. Jeder vernünftige Verantwortliche auf einem Hundeplatz wird erkennen, wenn ein Hund den Anforderungen nicht gewachsen ist, oder besser gesagt, für welche Aufgaben er besser geeignet sein könnte.
Geschulte Ausbildungsleiter und Schutzdiensthelfer halte ich hierbei für absolut kompetent.
Ein Grundproblem stellt die Tatsache dar, dass Hundesport und Hundearbeit in der Öffentlichkeit häufig grundsätzlich als negativ wahrgenommen werden. Manche Tierschützer meinen, Hunde würden auf dem Hundeplatz gequält – Ängstliche gehen davon aus, dass Hunde dort nur scharf gemacht und ihnen das Beißen gelernt werden würde.
Beides ist grundfalsch, denn Ausbildung hat nichts mit Quälerei zu tun und, wie oben gesagt, lernen Hunde, ihre Triebe besser zu kanalisieren. Da diese dann besser in der Hand des Hundeführers stehen, stellen sie ein wesentlich geringeres Gefahrenpotenzial dar als nicht ausgebildete Hunde.
Wann immer ich bei meinen Vorträgen auf Hundeplätzen und bei Vereinen zugegen war, bin ich auf ein sachkundiges, interessiertes Publikum gestoßen. Oft waren die Fragerunden länger als der Vortrag selbst und ich habe mich über Enthusiasmus und Kompetenz der anwesenden Verantwortlichen sowie der einfach interessierten Hundesportler gefreut – manchmal ist das Vereinsheim aus allen Nähten geplatzt und es gab nur noch Stehplätze und wir haben uns bis tief in die Nacht ausgetauscht. Daraus sind viele Freundschaften und nette Kontakte entstanden – selbst Jahre später werde ich dann noch wegen Fachfragen konsultiert. Wie gesagt – ich freue mich auch sehr über Initiativen innerhalb der Vorstandschaften von Hundevereinen – beispielsweise hat mich ein Verein für Continental Bulldogs in die Zuchtkommission berufen und beschlossen, dass bei jeder Zuchttauglichkeitsprüfung eine kurze Allgemeinuntersuchung angeschlossen wird.
Mit den eigenen Augen, Tastsinn, einem Stethoskop und etwas Erfahrung im Hundeverhalten kann man da schon relativ viel diagnostizieren – ohne viele Apparate und Labortechnik.
Ich wünsche mir für die Zukunft gesunde, leistungsfähige Hunde, denen man gönnt, das zu tun, wofür sie gezüchtet wurden, denn das ist angewandter Tierschutz!