Mythen, Märchen & Legenden: was ist dran an ihnen?

 

Diesmal: "Jede Hündin sollte einmal in ihrem Leben einen Wurf aufziehen?"

Der menschliche Aspekt

Der Blick in eine mit Welpen gefüllte Wurfkiste berührt – das wohlige Schmatzen, der Milchtritt, mit dem das weiße Elixier aus den Zitzen gestrampelt wird, die entlang dem Gesäuge, wie Perlen auf einer Schnur aufgefädelten, rhythmisch wedelnden kleinen Ruten. Tapsige kleine Körper, die sich auf ihre Beinchen stemmen und nach und nach Wohnung, Auslauf und die Welt erobern.  

Keine Frage, das Wunder Leben beseelt jeden, der eine emotionale Ecke in seinem Herzen hat. Die Nachfahren seines eigenen Hundes sind etwas ganz Besonderes und gerade weil unsere Hunde uns nur kurz begleiten, tröstet der Gedanke, dass sie in ihren Kindern weiterleben gewaltig. 

Nur mal eben so einen Wurf, ohne konkrete Vorstellung von Genetik, Zyklus, Trächtigkeit, Geburt und Aufzucht der Welpen ist die blauäugige Variante, bei der erfahrenen Züchtern der Atem stockt. Je intensiver man sich damit befasst, desto größer der Blick auf sich bergende Gefahren für Leib und Leben der Welpen, aber noch viel mehr der Hündin, die es ja zu bewahren gilt, der man einen gesundheitlichen Benefit durch die Prozedur verschaffen möchte. Lang ist der Weg einer im VDH organisierten Zucht bis zum ersten Wurf einer Hündin. Da müssen Gesundheitschecks bestanden, das Wesen begutachtet und der Standard geprüft werden. Gleichzeitig muss der Züchter den Nachweis seiner Sachkunde erbringen, ob er für diese gewaltige Aufgabe überhaupt gewappnet ist. Voraussetzungen, die bei Uupps-Würfen oder geplanten One-Night-Stands zum Zweck des einen Wurfes oftmals nicht gegeben sind. 

Der medizinische Aspekt

Argumente für das Erlebnis Mutterschaft gibt es genügend. Da ist zum einen der viel beschworene Vorteil für die Gesundheit der Hündin. 

Eine Geburt soll Krebs verhindern. Nun neigen Hündinnen aber weniger zu Gebärmutterkrebs als die Spezies Mensch, hier ist die Gefahr, dass eine Hündin erkrankt relativ gering, somit auch der vorbeugende Charakter durch einen Wurf gleich Null. Der häufigere Milchleistenkrebs wird hingegen durch das Säugen nicht nachweislich gemindert, anders als Studien es für den Menschen prognostizieren. 

Auch die Wahrscheinlichkeit einer Gebärmuttervereiterung oder Scheinträchtigkeit mindert sich nicht durch Geburten, eher noch verstärkt sich durch die Belastung das Auftreten von Zysten, die wiederum eine Pyometra triggern können. Also, Deckakt, Trächtigkeit und Aufzucht bringen im gynäkologischen Bereich eher Gefahren als Vorteile.

Entwicklungsbiologisch

Die Reife, die eine Hündin durch einen Wurf erlangt, ist meist eher davon abhängig, wann sie zur Mutterschaft gelangt als von den trächtigkeitsbedingten Hormonen. Jeder kennt die Hündin, die sich nach dem ersten Wurf deutlich „ausgelegt“ hat, also in ihrem Körperbau gereift ist. Fragt sich nur, ob sie das nicht auch ohne ihre Welpen getan hätte, wenn sie etwas älter geworden wäre. 

Die frühe Geschlechtsreife unserer Hunde und die häufigen Läufigkeiten - mehr als einmal im Jahr - ist auf die Domestikation zurückzuführen. Freilebende Hunde und der entfernte Vorfahre Wolf weisen eine deutlich spätere Reife auf. Auch zeigen gerade die im Familienverband lebenden wilden Hunde, dass es keineswegs jeder Hündin erlaubt ist, Welpen zu haben. Fortpflanzen dürfen sich nur die Leittiere. Wild gedeckte Hündinnen gebären in der Regel keine Welpen, da der Körper die Früchte absorbiert. In den Fällen, in denen es dennoch zu weiteren „unautorisierten“ Würfen kommt, werden die Welpen meist getötet. Regeln, die sich entwicklungsbiologisch als nützlich erwiesen haben, setzen sich evolutionär durch.

RottweilerwelpenFAZIT

Mutterschaft für alle ist nicht im Trend der wilden Verwandtschaft. Gleichwohl birgt die Scheinschwangerschaft großen Nutzen, quasi einen doppelten Boden für die Welpenaufzucht. In Gruppen lebende Hunde synchronisieren oft ihre Zyklen. Die nicht belegten, scheinträchtigen Hündinnen bereiten sich körperlich auch auf eine Laktation und Aufzucht vor, wenngleich sie nicht gebären werden. 

Sollte die Mutterhündin jedoch nicht säugen können oder versterben, ist das Rudel aus Tanten und Geschwistern in der Lage, den Wurf dennoch zu versorgen und sichert somit den Fortbestand.

Der Mythos, dass eine Hündin für ihr Wohl einmal im Leben einen Wurf haben sollte, kann somit bedenkenlos in das Reich der Märchen und Legenden verbannt werden, dient er doch nur als (verständliche) Ausrede für die Sehnsüchte des Menschen auf das Wunder des Lebens.

 

 

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