Führen, folgen.. sonst noch was?
Über persönliche Beziehungsvorlieben lässt sich viel diskutieren – solange es noch im Rahmen des Tierschutzgesetzes bleibt, ist auch die Mensch-Hund-Gemeinschaft keiner starren Norm unterworfen. Solange beide (oder auch mehrere) glücklich sind und kein Dritter unter den Auswüchsen leidet, darf die Welt gerne herrlich bunt und vielfältig sein!
Aber im Hundesport scheinen manchmal sehr unbewegliche Grundsätze auf Mensch-Hund-Teams zu Lasten: Der Zweibeiner führt, der Vierbeiner führt aus, der Richter führt an… und alle folgen mehr oder minder brav der Prüfungsordnung! Leistungsprüfungen sind nun mal streng normiert. Das ist eine Grundvoraussetzung für sportlichen Wettkampf und faire Bewertung von erbrachten Leistungen. „Zweierlei Maß“ ist einfach unsportlich und zurecht verpönt.
Lässt sich denn die menschliche Motivation zum Hundesport, das Bedürfnis nach gemeinsamem Lusterleben auf Seiten des Hundes und so etwas normiertes, vorgegebenes wie „Sport“ in Vereinen wirklich unter einen Hut bekommen? Oder stimmt die Kritik von Nicht-Sportlern etwa, dass der Hund - objektiv betrachtet - gar nicht von dieser Tätigkeit profitiert?
Kurzum: der Weg zum sportlichem Erfolg muss nicht normiert, getaktet und linear sein. Und Sport im Verein darf und soll auch lustvolles Miteinander beinhalten, ohne konkret auf eine Leistungsprüfung hinzuarbeiten. Die jeweilige Sportart bietet dafür lediglich einen Rahmen. Diese Rahmen erleichtern letztendlich das Miteinander: wir müssen zwischenmenschlich und auch gegenüber unseren Hunden nicht erst ein Ziel ausbaldowern. Wir können uns darauf konzentrieren, gemeinsam den Weg dahin zu finden.
Trotzdem lohnt sich der selbstkritische Blick auf den persönlichen „Führungsstil“: können wir kooperativ arbeiten, obwohl wir im Gegensatz zu unserem Hund das „Abstrakt“ Sportreglement kennen und ihm dies von der Pieke auf vermitteln sollen? Schaffen wir eine spielerische Lernatmosphäre, solange der Hund die Regeln noch nicht sicher versteht?
„Neumodischer Unsinn!“, hört man manchmal von den alten Hundeplatz-Dinosauriern. Anfänger verunsichert das schnell, denn – sie haben ja nichts vorzuweisen. Nur ihre Beziehung zu ihrem aktuellen Hund und das, was sie bisher an Kommunikation erarbeiten konnten. Meist völlig unbrauchbar für das strenge Sportreglement. Und in einem autoritären Gefüge, wie dieses Wissensgefälle automatisch zu erzeugen scheint, braucht der Wissende zwingend alle passenden Antworten. Sonst versagt er in der „Führung“ zum Ziel. Das führt zu Unsicherheit und auch Sorge um das Ansehen in der Gemeinschaft der Hundesportler. Wer will da schon das Risiko eingehen, entgegen aller Traditionen mit dem Hund zu spielen? Spiel ist ja weder diszipliniert, noch zielgerichtet!
Warum sich kooperatives Arbeiten gerade deswegen lohnt:
Trainierbarkeit hängt stark mit Interesse an spielerischem Umgang mit einem vertrauten Menschen zusammen. Hana Sanders-Hǿstlǿvet adaptierte nach Burkardt mehr Ressourcen und Kreativität für neuartige Handlungsstrategien für Individuen, die eine geringe Reizschwelle für Spielverhalten aufwiesen. Dies stützen auch andere Studien. Der Forscher László Garamszegi erklärt einen auffälligen Zusammenhang mit dieser „Spiellust“ bei Hüte-, Jagd- und Gebrauchshunderassen mit evolutionärem Vorteil: Sie waren leichter trainierbar, schlossen sich enger an und erwiesen sich somit nützlicher für den Menschen.
In der Entwicklungspsychologie wird gerade Mannschaftssport eine wertvolle Rolle in der kindlichen Förderung zugesprochen. Dabei geht es um die vielfältigen Anreize und sogenannten Interaktionen zwischen den Teilnehmern. Die wirken sich nicht nur auf die körperlichen Fähigkeiten aus – auch das Gehirn profitiert davon.
Da sind wir wieder beim kooperativen Führungsstil im Sport: Wenn wir versuchen, die „Wissenslücken“ mit spielerischen Übungen, klarem Feedback und dem Selbstbewusstsein einer guten Beziehung aufzufüllen, führt dies ebenso zum Erfolg. Manchmal dauert es länger. Manchmal braucht es Umwege. Und natürlich benötigt man auch hier einiges an Durchsetzungsvermögen, brauchen Geduld und Überzeugungskraft. Denn: Wir wollen auch im Spiel etwas konkretes, klar Definiertes erreichen!
Aber wir werden diesen Ziel lustvoller, entspannter und mit mehr Freude am miteinander erreichen. Und das lohnt die Mühe ..
Quellen:
- „Die Neurobiologie des Spielverhaltens“ 2020, Hana Sanders-Hǿstlǿvet
- https://royalsocietypublishing.org/doi/10.1098/rsbl.2020.0366
- https://karrierebibel.de/fuehrungsstile/
- „Sportmedizinische Forschung“, 1991 M.Weiß; H.Reader