Niggeloh Follow Trail in der Praxis

Experten testen in der Praxis

Ich stehe mit meiner Bracke am Start. Das erste Mal mit dem Niggeloh Follow Trail und frage mich: Wird sie mit dem neuen Geschirr überhaupt trailen? Sie riecht an, Leine raus, es geht los... und ich staune: 

Annica Quast (48 Jahre) macht seit mehreren Jahren Mantrailing, ist zertifizierte Hundetrainerin und Expertin für Tierschutzhunde. Ihr Hundesportlerherz liebt die Perfektion und den systematischen Aufbau von professionellen Suchhundeteams für den Einsatz. Sie arbeitet selbst mit ihren eigenen Hunden unterschiedlichen Alters – von sehr ambitioniert bis therapeutisch für den stark traumatisierten Tierschutzhund. Ihre Hunde und auch einige Kundenhunde arbeiten erfolgreich als Pettrailer und trainieren zum Teil mit dem Ziel Einsatzreife.

Annica hat für uns das Niggeloh Follow Trail Geschirr in der Praxis getestet:

 

Material & Verarbeitung 

  • Das Niggeloh Follow Trail besticht auf den ersten Blick durch hochwertige Materialien und deren sorgfältige Verarbeitung. Im Vergleich zu ähnlichen Mantrailinggeschirren ist es mit 218 Gramm kein Leichtgewicht, aber auch nicht zu schwer. Die Materialien (Textilien, Kunstlederverstärkungen) sind schnell trocknend, gut zu reinigen, aber eher glatt (Verrutschgefahr auf dem Hundekörper). 
  • Die Anleinöse ist aus Metall, der Wirbel scheint austauschbar zu sein. Auch die vordere Schnalle ist aus Metall, während die hinteren beiden qualitativ hochwertige Kunststoffschnallen sind. 

 

Kraftverteilung 

  • Der Punkt, an dem der größte Teil der Kraft übertragen wird, liegt idealerweise über dem Brustbein. Das ist bei diesem Geschirr gegeben. Die Brustplatte ist ideal gepolstert und so verstärkt, dass sich der Druck gleichmäßig auf eine größere Fläche verteilt. 
  • Der Zugpunkt liegt bei einem Mantrailinggeschirr zwischen der Mitte der Wirbelsäule und dem Rutenansatz. Bei diesem Geschirr liegt der Zugpunkt sehr weit hinten. Es eignet sich für ruhig arbeitende Hunde und natürlich für Rückenpatienten. Bei schnellen Richtungswechseln kann die hintere Rückenplatte umschlagen. Die Anleinöse ist mittig fixiert (keine Umlenkrolle), verfügt aber über einen integrierten Wirbel, der ein Verdrillen der Leine verhindert. 
  • Nicht nur die Brustplatte ist gut gepolstert, sondern auch die entscheidenden Gurte, alle Schnallen und die Auflagefläche des Leinenkarabiners. Die seitlich über die Rippen verlaufenden Gurte könnten meiner Ansicht nach für Komfort und gegen Verrutschen breiter gestaltet werden. 

 

Passform 

  • Die Bewegung der Vorderbeine erfolgt über eine Auslenkung der Schulterblätter nach vorne bis weit vor die Halswirbelsäule. Diese Bewegung darf niemals durch eine zu breite Brustplatte behindert werden. Erfreulicherweise ist es Niggeloh hier (im Gegensatz zu einigen Mitbewerbern) gelungen eine auch für schmale Hunde geeignete Brustplatte zu entwickeln. 
  • Der Kehlkopf sollte frei sein und auch bei gesenktem Kopf in Suchhaltung und unter Zug sollte kein Röcheln zu hören sein. Unter diesem Aspekt bekommt dieses Geschirr von mir die volle Punktzahl. Unter vollem Zug bei tiefster Nase habe ich nie ein Röcheln gehört. Im Gegenteil: Die Hunde trailen mit diesem Geschirr mit deutlich tieferer Nase als mit anderen. 
  • Der Abstand der seitlichen Gurte zu den empfindlichen Strukturen in den Achseln sollte bei kleinen Hunden drei und bei großen fünf Finger breit sein. Kein Problem beim Niggeloh Follow Trail. Aber: Die seitlichen Gurte müssen im Bereich des Brustkorbes noch über den von der 13. Rippe geschützten Bereich laufen, um Verletzungen im Bauchraum zu vermeiden. Durch die fehlende Verstellmöglichkeit im Bereich Rücken-/Bauchgurt lässt sich deren Verlauf schwierig beeinflussen. Im Zweifel hilft allerdings die Nähmaschine und ein Kürzen des Gummis im Rückenbereich. 

 

Schnallen, Griffe & Ösen 

  • Verstellbar ist dieses Geschirr lediglich an den seitlichen Gurten. Das spart Gewicht und vermeidet unangenehme Druckpunkte, erschwert aber eine individuelle Anpassung. Da es lediglich in drei Größen (S;M,L) verkauft wird, muss man unter Umständen zur Feinjustierung sehr kreativ werden. (Cave: Die kleinste Größe fällt schon sehr groß aus.) 
  • Das Niggeloh Follow Trail punktet mit einer zusätzlichen Öffnungsmöglichkeit am Hals, deren Schnalle gut unterpolstert ist: Komfort und Sicherheit (Anlegen ohne Lösen der Verbindung zum Halsband) für jeden Hund, essentiell für so manchen ängstlichen Hunden und durchaus ein potentielles Kaufargument. 
  • Gewicht gespart wird dagegen durch die Reduktion auf nur eine Anleinöse. Ein Wechsel zwischen vorderer und hinterer Öse ist somit nicht möglich. Auch ein Griff im Bereich des Rückensteges ist nicht vorhanden. Hierin ist das Geschirr eher für den professionellen Gebrauch perfektioniert. 

 

Verrutschen 

• Das seitliche Verrutschen des Geschirrs bei seitlich versetzter Leinenführung kann sensible Hunde durchaus irritieren. Durch den Schnitt, das relativ glatte Material und den weit hinten liegenden Zugpunkt bedingt, neigt dieses Geschirr bei sehr kurzhaarigen Hunden zum Verrutschen. Kommt einem der Hund schnell entgegen, kann die hintere Rückenplatte umschlagen. Bei langhaarigen Hunden tritt dieses Problem weitaus weniger auf. 

 

Pufferung 

• Der größte Streitpunkt bei diesem Geschirr unter Mantrailingprofis ist mit Sicherheit das Gummi im Rückensteg. Die einen denken, ihren Hunde nicht mehr fühlen zu können, während die anderen auf die Ruckdämpfung schwören. Da der Zug aber in erster Linie über die seitlichen Gurte auf die Brustplatte übertragen wird, spürt man die Dämpfung als Hundeführer weit weniger als der Hund, für den sie auf jeden Fall angenehm sein dürfte. 

 

Thermoregulation 

• Das Geschirr hat keine unnötig große Auflagefläche, die zu einem Wärmestau führen würde. 

 

Sicherheit 

• Die Signalfarben des Geschirrs sind gut gewählt, um die Sicherheit des Mantrailers zu erhöhen. Zusätzlich reflektieren die seitlichen Gurte. Leider gibt es kaum eine sichere Möglichkeit, eine Beleuchtung oder einen GPS-Tracker anzubringen.

 

Fazit 

Noch nie habe ich Pheli so anhaltend mit tiefer Nase trailen sehen. Sie atmet frei und ist in ihrer Bewegung überhaupt nicht eingeschränkt. Wir werden weiter mit diesem Geschirr trailen – das ist sicher!

Es ist im Gegensatz zu anderen Geschirren auch für schmal gebaute Hunde geeignet, allerdings eher für den ruhigen, aber durchaus sehr stark ziehenden und mit tiefer Nase arbeitenden Trailer. Hibbelige Hunde mit glattem, kurzem Fell werden mit diesem Geschirr nicht glücklich werden. Für die ist das Niggeloh Follow Light (ebenfalls im Sporthund-Shop erhältlich) besser geeignet. 

 

 

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